Sandkönige - Geschichten
Geschäften gerufen wurde, hatte er keine Nachbarn, denen er kurzerhand seine Lieblinge aufdrängen konnte. Der Aasgeier war kein Problem; er schlief im unbenutzten Glockenturm und verpflegte sich gewöhnlich selbst. Den Shambler scheuchte Kress einfach nach draußen und ließ ihn auf sich allein gestellt; das kleine Monster würde sich mit Wegschnecken, Vögeln und Rockjocks vollstopfen. Aber das Fischbecken, gefüllt mit echten Erdpiranhas, stellte ein Problem dar. Letztlich warf Kress eine große Rinderkeule in das Becken. Die Piranhas konnten sich immer noch gegenseitig auffressen, falls er länger als erwartet verhindert war. Das hatten sie vorher schon mal gemacht. Sie amüsierten ihn.
Unglücklicherweise war er diesmal noch länger verhindert, als er angenommen hatte. Als er endlich heimkehrte, waren alle Fische tot. Genauso der Aasgeier. Der Shambler hatte den Glockenturm erklommen und den Geier gefressen. Kress war ärgerlich.
Am nächsten Tag flog er mit seinem Gleiter nach Asgard, eine Reise von mehr als zweihundert Kilometern. Asgard war Baldurs größte Stadt und rühmte sich noch dazu, den ältesten und größten Raumhafen zu besitzen. Kress liebte es, seine Freunde mit ungewöhnlichen, unterhaltsamen und teuren Tieren zu beeindrucken. Asgard war der Ort, wo man sie kaufen konnte.
Doch diesmal hatte er kein Glück. Xenofauna hatte geschlossen, t'Etherane der Tierhändler wollte ihm einen anderen Aasgeier andrehen, und Fremde Wasser boten nichts Exotischeres an als Piranhas, Leuchthaie und Spinnen-Tintenfische. Kress hatte sie alle schon gehabt; er wollte etwas Neues, etwas noch nie Dagewesenes.
In der Dämmerung war er auf dem Weg durch den Regenbogenboulevard und hielt Ausschau nach Plätzen, die er vorher noch nicht durchstöbert hatte. So nahe am Raumhafen war die Straße mit Importhäusern übersät. Das kommunale Warenhaus hatte eindrucksvolle, breite Schaufenster, in denen seltene und kostspielige Fremdwesen als Kunsterzeugnisse, auf Filzpolstern gegen eine dunkle Drapierung, ausgestellt waren, was der Einrichtung des Stockwerkes etwas Geheimnisvolles verlieh. Dazwischen befanden sich die Trödelläden — schmale, unschöne Geschäfte, deren Auslagen mit allen Arten von nicht einheimischen Raritäten vollgestopft waren. Beiden Geschäftsarten begegnete Kress mit Argwohn.
Dann fand er einen Laden, der anders war.
Er befand sich sehr nahe beim Hafen. Kress war noch niemals hier gewesen. Der Laden war ein schmales, einstöckiges Gebäude billigster Fertigung, zwischen einer Euphorie-Bar und einem Bordelltempel der Geheimen Schwesternschaft. So weit unten sah der Regenbogenboulevard verschwommen aus. Der Laden selbst war ungewöhnlich. Fesselnd.
Nebel wallte hinter den Scheiben, einmal ein blasses Rot, dann wieder das Grau echten Nebels, und dann wieder glänzend und golden. Der Nebel strudelte, wirbelte und schimmerte schwach. Kress erblickte
Objekte im Schaufenster — Maschinen, Kunstgegenstände und Dinge, die er nicht identifizieren konnte, denn er vermochte keinen genauen Blick auf alles zu werfen. Die Nebel umflossen sie sanft, offenbarten ein bißchen vom einen, dann vom anderen und hüllten schließlich alles ein. Es war interessant.
Während er wartend beobachtete, begann der Nebel Worte zu bilden. Eins nach dem anderen. Kress wartete und las.
WO UND SHADE.
IMPORTEURE.
KUNSTERZEUGNISSE.
LEBENSFORMEN UND VERMISCHTES.
Die Buchstaben verblaßten. Durch den Nebel sah Kress sich etwas bewegen. Das war genug für ihn, das und das LEBENSFORMEN im Fenster. Er warf seinen Nebelmantel über die Schulter und betrat den Laden.
Im Laden selbst fühlte Kress sich desorientiert. Die Innenausstattung schien weiträumig, größer als er bei der bescheidenen Außenfassade vermutet hatte. Schummrige Beleuchtung, friedlich. Die Decke war ein Sternenpanorama, vollständig mit Spiralnebeln, sehr dunkel und realistisch, sehr hübsch. Die Vitrinen waren matt erhellt, wahrscheinlich um die Waren besser zur Schau zu stellen. Der Durchgang war mit Bodennebel bedeckt. Er reichte ihm fast bis zu den Knien, und als er ging, wirbelte er um seine Füße.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«
Es schien fast, als hätte sie sich aus dem Nebel gebildet. Zierlich, mager und blaß, sie trug einen praktischen grauen Overall und eine merkwürdige kleine Kappe, die auf ihrem Hinterkopf saß.
»Sind Sie Wo oder Shade?« fragte Kress. »Oder nur eine Verkäuferin?«
»Jala Wo persönlich. Womit kann ich dienen?«
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