Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sandkönige - Geschichten

Sandkönige - Geschichten

Titel: Sandkönige - Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
Vom Netzwerk:
Wüstenhimmel zu fallen, umringten vier schwarze Mobile ein Orangefarbenes und schleppten es zu ihrer Maw. Zuerst verstümmelten sie es, rissen ihm Kinnbacken, Fühler und Gliedmaßen aus und trugen es durch das dunkle Haupttor in ihre Miniaturburg. Es kam nicht wieder zum Vorschein. Innerhalb einer Stunde marschierten mehr als vierzig orangefarbene Mobile über den Sand und attackierten die Ecke der Schwarzen. Sie waren zahlenmäßig den Schwarzen unterlegen, die augenblicklich aus der Tiefe ihrer Burg hervorbrachen. Als der Kampf vorbei war, waren die Angreifer alle abgeschlachtet. Die Toten und Sterbenden wurden zerkleinert, um an die Schwarze Maw verfüttert zu werden.
    Kress beglückwünschte sich selbst zu seinem Einfall.
    Als er am nächsten Tag Fressen in das Becken fallen ließ, entbrannte gleich an drei Fronten ein Kampf um den größeren Anteil daran. Die Weißen siegten.
    Danach folgte Krieg auf Krieg.
    Fast ein Monat war vergangen, seit Jala Wo die Sandkönige geliefert hatte, als Kress den holographischen Projektor einschaltete und sein Gesicht im Becken erschien. Er drehte es langsam, damit sein starrer Blick auf alle vier Burgen fiel. Kress war zufrieden mit der Ähnlichkeit; es zeigte sein schelmisches Grinsen, den breiten Mund und die vollen Wangen. Seine blauen Augen sprühten, seine grauen Haare waren sorgfältig zu einem Seitenscheitel frisiert, die Augenbrauen dünn und kultiviert.
    Bald darauf begannen die Sandkönige zu arbeiten. Kress fütterte sie reichlich, während sein Bild von ihrem Himmel herunterstrahlte.
    Gleichzeitig hörten die Kämpfe auf. Alle Aktivitäten waren auf Verehrung gerichtet.
    Sein Gesicht erschien auf den Burgwänden.
    Zuerst erschienen ihm alle Schnitzereien gleich, aber als die Arbeit daran ihren Fortgang nahm und Kress die Reproduktionen begutachtete, begann er feine Unterschiede in Technik und Ausführung zu entdecken. Die Roten waren die kreativsten, da sie winzige Schieferstückchen verwendeten, um einen Grauton in die Haare zu bekommen. Das weiße Abbild erschien ihm jung und mutwillig, während das durch die Schwarzen modellierte Gesicht — obwohl es im Grunde genommen Linie für Linie dasselbe war — eher weise und gütig anmutete. Wie gewöhnlich waren die orangefarbenen Sandkönige spät dran und darum auch die letzten. Die Kriege waren nicht gut für sie verlaufen, und im Gegensatz zu den anderen Bauwerken sah ihre Burg recht traurig aus. Das Bild, das sie einritzten, war grob karikierend, und es schien, als wollten sie es so belassen. Kress war darüber sehr pikiert, konnte aber nichts daran ändern.
    Als alle Sandkönige die Arbeit an seinem Gesicht beendet hatten, schaltete Kress den Projektor aus und kam zu dem Schluß, daß es nun an der Zeit wäre, eine Party zu geben. Seine Freunde würden überrascht sein. Er konnte für sie sogar einen Krieg inszenieren, sagte er sich. Glücklich vor sich hinsummend, begann er die Gästeliste aufzustellen.
    Die Party wurde ein voller Erfolg.
    Kress hatte dreißig Personen eingeladen: ein paar ausgewählte, engere Freunde, ein paar frühere Freundinnen und eine Auswahl an geschäftlichen und gesellschaftlichen Gegnern, die es sich nicht leisten konnten, seine Einladung zu ignorieren. Er wußte, daß einige von ihnen verwirrt, wenn nicht sogar aufgebracht wegen seiner Sandkönige waren. Er zählte auf sie. Er betrachtete es gewöhnlich als Fehlschlag, wenn nicht zumindest ein Gast übellaunig nach Hause ging.
    Impulsiv setzte er Jala Wos Name auf die Liste. »Wenn Sie möchten, bringen Sie Shade mit«, fügte er hinzu, als er die Einladung an sie diktierte.
    Ihre Einwilligung überraschte ihn ein wenig: »Shade wird leider nicht mitkommen können. Er geht nicht zu Gesellschaften. Ich selbst ergreife gerne die Gelegenheit, um zu sehen, was Ihre Sandkönige machen.«
    Kress ordnete ein kostspieliges Abendessen an. Und als die Konversation endlich nur noch träge dahintröpfelte und die meisten seiner Gäste vom Wein und Glücksstengeln berauscht waren, schockierte er sie, indem er persönlich die Speisereste auf ihren Tellern in eine große Schüssel einsammelte. »Kommt alle mit!« sagte er. »Ich will euch meine neuesten Tierchen zeigen.« Die Schüssel in den Händen, führte er sie in sein Wohnzimmer.
    Zu seiner freudigen Erwartung lebten die Sandkönige auf. Er hatte sie zur Vorbereitung zwei Tage hungern lassen, jetzt waren sie in kriegerischer Stimmung. Während die Gäste das Becken umringten und durch die

Weitere Kostenlose Bücher