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Sandkönige - Geschichten

Sandkönige - Geschichten

Titel: Sandkönige - Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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Sternenbummler!« Und als Holt erschrocken aufblickte, fügte Cain lächelnd hinzu: »Ja, du. Dich mein ich. Konzentrier dich auf deine Arbeit, sonst schaffen wir es nicht mal bis zur nächsten Welt!«
    Doch die Rüge war mild, genau wie das Lächeln, und Holt hatte sie bald wieder vergessen. Ihre Schlafnetze hingen nebeneinander, und Holt hörte dem Alten jede Nacht zu. Cains Redefluß war kaum zu stoppen, zumal Holt nie den Versuch machte. Und als die Lachender Schatten schließlich ihr Ziel auf Cathaday erreichte, um bald darauf wieder über Celias Welt zum Heimathafen zurückzukehren, gingen Holt und narKarmian von Bord und heuerten auf einem Postschiff an, das mit Kurs auf Vess und die fernen Damoosh-Sonnen auslaufen sollte.
    Sechs Jahre lang flogen die beiden gemeinsam durchs All. Aber dann starb narKarmian. Das Gesicht des Alten blieb Holt deutlicher in Erinnerung als das seines Vaters.
    Der Schuppen war ein langes, schmales Gebäude, eine Bruchbude aus blauem Dural, das irgend jemand wahrscheinlich in den Lagerräumen eines geplünderten  Frachters aufgestöbert hatte. Der Schuppen lag auf halbem Wege zwischen dem Windwall des Raumhafens und dem hohen Westtor der grauen Steinstadtmauer. Andere, größere Metallgebäude standen ringsherum: die Lagerbaracken der schiffslosen Ul-mennaleith. Aber nie war einer der Ullies dort zu sehen.
    Gegen Mittag traf Holt ein. Der Schuppen war fast leer. Mitten im Raum stand eine breite, säulenförmige Kaltfackel. Sie ragte bis an die Decke, spendete aber nur ein schwaches, rötliches Licht, das kaum die Hälfte der herumstehenden Tische erreichte. In einem schattigen Winkel des Raumes saß eine Gruppe flüsternder Linkellars. Gegenüber lag schlafend ein zusammengerollter, fetter Cedraner mit glitschiger, weißschimmernder Haut. Neben der Kaltfackelsäule, am Stammtisch der Pegasus-Besatzung, hockten Alaina und Takker-Rey vor einer weißen Steinflasche und tranken Gelblethe.
    Takker hatte Holt sofort entdeckt. »Sieh an«, sagte er und hob sein Glas. »Wir bekommen Besuch, Alaina. Eine verlorene Seele kehrt zurück. Was macht die Steinstadt, Michael?«
    Holt setzte sich. »Nichts Neues, Takker. Immer dasselbe.« Er schenkte dem aufgedunsenen, bleichen Mann ein knappes Lächeln und wandte sich Alaina zu. Vor Jahren, während der gemeinsamen Arbeit auf einem Sprungschiff, hatten sie ein kurzes Verhältnis miteinander gehabt. Aber das lag lange zurück. Alaina war dick geworden, ihr langes, kastanienbraunes Haar hing stumpf und strähnig vom Kopf. Zu viel Gelblethe hatte ihre einst strahlenden, grünen Augen trüb und matt gemacht.
    Alaina verzog das runde Gesicht zu einem Lächeln.
    »Hallo, Michael«, sagte sie. »Hast du dein Schiff gefunden?«
    Takker-Rey kicherte, doch Holt ignorierte ihn. »Nein«, antwortete er. »Aber ich geb' nicht auf. Heute sagte mir der Fuchsmensch, ich könnte nächste Woche mit einem Schiff rechnen. Mit einem Menschenschiff. Er versprach, mir einen Platz zu sichern.«
    Jetzt kicherte auch Alaina. »Oh, Michael«, sagte sie. »Dummchen. Das gleiche hat man mir auch immer erzählt. Ich bin schon lange nicht mehr hingegangen. Würd ich dir auch raten. Ich bring dich zurück, verlaß dich drauf. Und jetzt komm mit auf mein Zimmer. Du fehlst mir. Takker ist ein schrecklicher Langweiler.«
    Takker hörte gar nicht hin. Er war stirnrunzelnd damit beschäftigt, sein Glas mit Gelblethe zu füllen. Der Schnaps floß zäh wie Honig aus der Flasche. Holt erinnerte sich an den Geschmack, an das goldene Feuer auf der Zunge und seine beruhigende Wirkung. In den ersten Wochen, während sie auf die Rückkehr des Kapitäns gewartet hatten, bevor alles auseinandergebrochen war, hatten sie das Zeug literweise in sich hineingeschüttet.
    »Trink auch einen Schluck«, sagte Takker. »Leiste uns ein bißchen Gesellschaft.«
»Nein«, sagte Holt. »Aber vielleicht ein Glas Feuerbrandy, Takker, wenn du mich dazu einlädst. Oder Fuchsbier. Sommerbier, wenn es das hier gibt. Hab ich schon lange nicht mehr getrunken. Nur keine Lethe. Deshalb bin ich schließlich von hier weggegangen. Erinnerst du dich?«
    Alaina schnappte plötzlich nach Luft und warf Holt einen scharfen Blick zu. »Du bist weggegangen«, sagte sie mit dünner Stimme. »Ich erinnere mich, du warst der  erste. Du und Jeff. Ihr ward die ersten.«
    »Nein, Liebes«, unterbrach Takker. Er setzte behutsam die Flasche ab, nahm einen Schluck aus dem Glas und lächelte. »Der Kapitän ist als erster gegangen.

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