Sandra die Detektivin in Jeans
auf die Brosche.
„Die schenke ich dir“, wiederholte Gesine.
„Verrückt!“ sagte Sandra. „Wozu? Weshalb willst du mir die schenken?“
„Weil sie dir gefällt. Und weil ich möchte, daß wir Freundinnen sind“, setzte Gesine ehrlich hinzu.
„Freundschaft kann man nicht kaufen.“
Gesine war dem Weinen nahe. Sie hatte nicht damit gerechnet, daß Sandra ihr Geschenk zurückweisen würde. „Ich wollte nur nett zu dir sein. So habe ich das nicht gemeint.“
„Ich auch nicht“, sagte Sandra. Sie schämte sich. Sie war zu Gesine so kratzbürstig gewesen, wie sie nur sein konnte, um sie zu vergraulen. Sie fand es furchtbar, daß Gesine sie dafür auch noch belohnte.
Nein, sie durfte die Brosche nicht annehmen. Außerdem band sie sie an Gesine, selbst wenn Gesine versicherte, daß das Geschenk nichts weiter bedeute, als eine freundschaftliche Geste. Wenn Sandra die Brosche annahm, würde sie sich Gesine immer verpflichtet fühlen.
„Ich will sie nicht“, sagte Sandra. „Sie gehört ja nicht einmal dir.“
„Ich habe sie gefunden.“
„Trotzdem gehört sie dir nicht!“ schrie Sandra.
„Sie ist ja nicht viel wert.“
„Woher willst du das wissen?“
„Joschi hat‚s auch gesagt. Du kannst sie ruhig behalten. Bitte, Sandra...!“
Es machte Sandra unglücklich, daß Gesine so hartnäckig darauf bestand. Noch schlimmer fand sie es, daß sie Gesines Freundschaft so brutal-offen zurückweisen mußte, um sie endlich zur Vernunft zu bringen, um ihr klarzumachen, daß Gesine sich eine andere Freundin suchen mußte.
Die beiden Mofafahrer hatten sich näher geschoben. Der größere von ihnen, ein sandhaarfarbener, magerer Junge, blickte neugierig über Sandras Schulter. „Was habt ihr denn da?“
„Geht dich nichts an“, erwiderte Sandra. Sie kannte die Jungen nicht. Sie hatte sie noch nie in ihrer Straße gesehen. Auch die Mädchen, die vorhin in „Willis Kneipe“ gegangen waren, erschienen ihr fremd.
„‚ne heiße Sache?“ fragte der andere, der untersetzt und dunkelhaarig war.
„Zeig doch mal!“ forderte der Große.
Sandra zerknüllte wortlos das Papier über der darinliegenden Brosche und drückte es Gesine in die Hand. „Du weißt ja, was wir besprochen haben“, sagte sie und gab sich geheimnisvoll, um die Jungen zu ärgern. „Bring‚s dahin, wo wir gesagt haben.“ Damit meinte sie, Gesine sollte die Brosche auf dem Fundbüro abgeben.
„Sandra!“ rief ihr Bruder Rainer aus einem Fenster ihrer schräg gegenüberliegenden Wohnung.
„Ich komme!“ signalisierte Sandra, ihm mit den Zigaretten zuwinkend. Sie lief über die Straße.
Gesine ging an den herauskommenden Mädchen vorbei in die Kneipe, um Opas Bier zu kaufen.
Das Gastzimmer war leer bis auf die übliche Samstagabendskatrunde am Stammtisch neben der Tür.
Gesine tauschte ihre zwei leeren Bierflaschen gegen zwei volle um, zahlte und verließ mit hängenden Schultern das Lokal.
Sie war zutiefst verletzt. Sie hatte nett zu Sandra sein wollen. Doch statt sich darüber zu freuen, schrie Sandra sie an und schalt sie aus.
Das hatte sie nicht verdient.
Sie brauchte Sandra nicht. Gesine brauchte überhaupt niemanden. Sie kam sehr gut allein zurecht.
Doch warum? Warum stieß Sandra sie zurück...?
Ein Zuruf schreckte Gesine aus ihren Überlegungen. „He, kommst du mal? Pst!“
Ein Mädchen zischte es Gesine aus einer Toreinfahrt zu, an der Gesine auf dem Bürgersteig vorbeiging. Es schien eine der Freundinnen der Jungen zu sein, die in „Willis Kneipe“ eingekauft und Gesine vorhin auf ihren Mopeds überholt hatten.
Neugierig trat sie näher.
Als sie in den Schatten des Torbogens eingetaucht war, faßte das Mädchen blitzschnell nach Gesines Handgelenk und drehte ihr nach Art eines Polizeigriffes den Arm auf den Rücken. „Komm mit!“
Gesine war von dem Überfall so überrascht, daß sie weder schreien noch sich zu wehren vermochte.
Das Mädchen schien etwa fünfzehn oder sechzehn Jahre alt zu sein. Es war dunkelhaarig und von kräftiger Figur. Später erfuhr Gesine, daß es vierzehn Jahre alt war und Hortense hieß.
Hortense führte Gesine in einen Hof, in dem alte, rostige Metallstangen, Rohre und Autokühler lagerten. Er gehörte zu einer Klempnerei, deren Werkstatthalle am Wochenende geschlossen war. Das Vorderhaus beherbergte eine Buchdruckerei.
In einer Ecke des Hofes warteten die beiden Mofafahrer mit dem anderen Mädchen.
Hortense ließ Gesines Arm los und stieß sie auf den Langen zu. „Da, nimm
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