Sandra und das Haus in den Hügeln
ihm vorbeischob, ihn verwundert anstarrte.
Joschi bemerkte es nicht einmal.
Am Klassenstand herrschte noch einmal Hochbetrieb. Die Nachmittagsbummler, die am Morgen ihre Wocheneinkäufe besorgt hatten, waren eingetrudelt.
Ingrid fand gerade Zeit genug, um Joschi zu bestätigen, daß Sandra sich nicht am Stand gemeldet hatte.
„Ich verziehe mich dann. Sollte Sandra noch kommen, sag ihr, daß ich nach Hause gefahren bin. Ciao!“ Joschi winkte allen zum Abschied zu. Doch nur Ingrid grüßte zurück. Die anderen priesen mit erhitzten Gesichtern und heiseren Stimmen dem vorbeidrängenden Publikum ihre Bastelarbeiten an.
Joschi suchte eine Telefonzelle auf. Er mußte über seine Sorge um Sandra mit Herrn Seibold sprechen.
Florian Seibold, ein im Ruhestand lebender Rechtsanwalt und Strafverteidiger, war ein alter Freund von Sandra und Joschi. Sie hatten ihn durch Sandras Großmutter kennengelernt, die seit vielen Jahren als Herrn Seibolds Haushälterin in einem alten Haus am Fluß lebte. Wann immer Sandra und Joschi in der Klemme saßen, wandten sie sich an Herrn Seibold.
Sandras Großmutter hob den Telefonhörer ab.
„Hier ist Joschi. Guten Tag, Frau Ansbach“, begrüßte Joschi die alte Dame.
„Joschi? Sandra ist nicht hier“, erwiderte Frau Ansbach, da sie glaubte, daß Joschi Sandra bei ihr vermutete.
„Ich weiß. Deshalb rufe ich auch nicht an. Ich möchte gern Herrn Seibold sprechen. Ist er daheim?“ erkundigte sich Joschi.
„Ist etwas passiert?“ fragte Frau Ansbach erschrocken, denn sie wußte aus Erfahrung, daß ihre Enkelin und deren Freund stets dann nach Herrn Seibold verlangten, wenn sie sich in eine dumme Sache hineinmanövriert hatten, aus der sie keinen Ausweg fanden.
„Nein, nein!“ Joschi bemühte sich, seine Stimme heiter klingen zu lassen. „Ich möchte ihn nur um Rat fragen.“
„Dachte ich mir’s doch! Ist Sandra bei dir? Was habt ihr diesmal für Probleme? Ist es ein bewaffneter Bankräuber, dem ihr auf den Fersen seid?“ fragte Frau Ansbach ärgerlich, denn sie mißbilligte und verurteilte Sandras Neigung, sich als Detektivin zu betätigen.
Sandra beteuerte zwar stets, ohne eigenes Zutun in Kriminalfälle verwickelt zu werden, doch Frau Ansbach behauptete, das gäbe es nicht. Es müßte schon ein merkwürdiger Zufall sein, wenn ausgerechnet immer dort, wo Sandra auftauchte, etwas Unrechtmäßiges geschähe. Ihrer Meinung nach besaß Sandra ein Gespür für solche Dinge. Doch anstatt sich da herauszuhalten, ruhte Sandra nicht eher, als bis sie in den Fall verwickelt war.
„Gib sie mir mal!“ forderte Frau Ansbach energisch.
„Sandra ist nicht hier. Wir waren zusammen auf dem Weihnachtsmarkt. Da haben wir uns verloren“, erzählte Joschi diplomatisch. „Ja, und wie ich gerade an einer Telefonzelle vorbeikomme, fällt mir ein, daß ich Herrn Seibold besuchen wollte. Aber jetzt ist es zu spät. Ich muß heim. Da dachte ich,ich rufe ihn an. Hab da eine Frage.“
„Du hast auch schon besser gelogen, Joschi“, sagte Frau Ansbach grimmig. „Meinetwegen! Sprich dich mit Herrn Seibold aus, wenn du mir nicht sagen willst, was du auf dem Herzen hast. Ich hole ihn.“
Wenig später meldete sich Florian Seibold am Apparat.
„Können Sie sprechen, Herr Seibold? Oder ist sie in der Nähe?“ flüsterte Joschi besorgt.
„Moment, ich stelle das Gespräch in mein Zimmer durch“, sagte Herr Seibold wie selbstverständlich.
„So, da bin ich wieder“, ertönte Herrn Seibolds etwas atemlose Stimme. Er hustete und fuhr fort: „Frau Ansbach ist in der Bügelstube. Sie kann uns nicht hören. Was gibt es, Joschi?“
Joschi erzählte es ihm.
„Und du meinst, daß Sandra mit dem Sektenführer weggefahren ist?“ vergewisserte sich Herr Seibold, als Joschi seinen Bericht beendet hatte.
„Sie muß es gewesen sein, Herr Seibold“, behauptete Joschi. „Erstens einmal hält Sandra immer unsere Verabredungen ein. Ich habe noch nie länger als zehn Minuten auf sie warten müssen. Und zweitens habe ich sie in dem Kleinbus gesehen, nur wußte ich da noch nicht, daß es Sandra war.“
„Aber was kann sie dazu veranlaßt haben, mitzufahren, ohne daß sie sich vorher mit dir abgesprochen hatte?“ wandte Herr Seibold ein.
„Vielleicht hat man sie gekidnappt?“
„Unsinn! Sandra doch nicht! Kannst du dir vorstellen, daß unsere Sandra sich von irgend jemandem übertölpeln läßt? — Na, siehst du“, sagte Herr Seibold, nachdem Joschi seine Frage verneint hatte.
„Außerdem
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