Sandra und das Haus in den Hügeln
unterstützen.
In einigen der Mädchen und Jungen, die hier wild wirbelnd durch den Raum tanzten, erkannte Sandra die Gruppe, die Rocho auf dem Weihnachtsmarkt zurückgelassen hatte. Und sie fragte sich erstaunt, wie sie es angestellt hatten, vor ihnen hier zu sein.
Doch dann erinnerte sich Sandra an den zweiten Kleinbus in der Scheune. Und ihr wurde klar, daß Rocho sie auf Umwegen hergebracht hatte, während seine Gruppe den kürzesten Weg nahm.
Doch wo war Jutta?
Sandra konnte sie nirgends entdecken.
Dann war ihr Eifer umsonst gewesen und ihre Mission gescheitert. Dann könnte sie jetzt wieder gehen.
Doch wie sollte sie hier herauskommen? Rocho beobachtete sie. Und Sandra fürchtete, daß er sie freiwillig nicht würde gehen lassen. Sie mußte die Nacht abwarten, um sich heimlich davonschleichen zu können. Bis dahin galt es, die Zeit zu nützen. Vielleicht war Jutta doch hier gewesen, und eines der Mädchen würde Sandra vielleicht verraten, wo sie sich jetzt aufhielt.
Rocho trat auf sie zu und zog sie mit sich zur Couch. „Gefällt es dir bei uns? Siehst du, wie froh wir alle sind? Spürst du, wie sehr wir uns alle lieben? Auch dich lieben?“ sagte er beschwörend. „Gib mir deine Hände. Warum zitterst du? Hast du Angst? Die wird dir hier genommen. Bei uns findest du vierundzwanzig Stunden am Tag Geborgenheit und Herzenswärme.“
Sandra starrte ihn an.
„Wir wissen, wie es draußen ist. Die Menschen haben einen vollen Magen und ein leeres Herz. Willst du so weiterleben? Willst du weiterhin törichte Dinge in der Schule lernen und doch nie erfahren, wie du das Böse in dir überwinden kannst?“ Seine Stimme wurde laut und drängend: „Bleib bei uns! Die Begegnung zwischen dir und mir ist deine Chance. Nütze sie! Du wirst frei, froh und ohne Sorgen sein!“
Der Knall einer Fehlzündung schreckte Sandra auf. Ein Motorrad donnerte draußen vorbei und erinnerte sie an ihren Bruder Rainer.
Sie entzog Rocho ihre Hände und stand auf. „Entschuldige. Aber ich habe Hunger. Kann man hier etwas zu essen bekommen?“
„Wir essen nach der abendlichen Gebetsversammlung“, erwiderte Rocho, keineswegs gekränkt, sondern lächelnd, und stand ebenfalls auf. „Komm mit. Ich mache dich mit unserem Hausvater bekannt.“
Hausvater? Dann war Rocho nicht der Chef, und es gab noch jemand, der über ihm stand?
Rocho führte Sandra durch den dunklen Flur in ein kleines Büro.
Ein etwa fünfzigjähriger Mann saß an einem Schreibtisch und las.
Als Rocho mit Sandra eintrat, hob er den Kopf. Ernste, dunkle Augen blickten Sandra prüfend an. Schließlich lächelte er. „Ah, unsere kleine neue Schwester!“
Debora scheint mich schon angemeldet zu haben, stellte Sandra fest.
„Willkommen im Hause des Herrn, mein Kind“, sagte der Hausvater sanft und ging mit ausgebreiteten Armen auf Sandra zu.
„Halleluja!“ sagte Rocho.
„Halleluja!“ keuchte Sandra, während sie, an einen mächtigen Brustkorb gedrückt, nach Atem rang.
Der Hausvater küßte Sandra auf die Stirn und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück. „Du hast gut gearbeitet, mein Sohn“, sagte er zu Rocho.
„Danke, Vater“, erwiderte Rocho und schlug demütig die Augen nieder.
Was hat er denn gearbeitet? Mich angeschleppt? Oder wofür sonst ist das Lob? grübelte Sandra.
„Bitte, mein Kind!“ Der Hausvater lud Sandra mit einer Handbewegung ein, auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen, während Rocho das Büro verließ.
„Du möchtest also bei uns bleiben.“ Das war keine Frage, sondern eine Feststellung, denn der Hausvater fuhr ohne Pause fort: „Ein glücklicher Entschluß, mein Kind. Wir werden dich schulen und deine Ausbildung vollenden. Und wenn du die rechte Liebe hast, reinen Herzens bist, dem Satan den Kampf ansagst und gehorsam im Herrn sein willst...“ Jetzt machte er eine Pause und blickte Sandra wartend an.
„Halleluja!“ rief Sandra.
Der Hausvater nickte zufrieden, „...wirst du ein glückliches Mitglied unserer glücklichen Familie werden, und es soll dir an nichts fehlen.“
Das halte ich nicht aus. Das stehe ich nicht durch! Dem lache ich gleich voll ins Gesicht, dachte Sandra. Sie senkte den Kopf und blickte zu Boden, um den Hausvater ihre verdächtig zuckenden Lippen nicht sehen zu lassen.
Der Hausvater nahm einen bedruckten Doppelbogen Papier aus dem Seitenfach seines Schreibtisches. Er schob es Sandra hin und legte einen Kugelschreiber dazu. „Bitte, fülle dieses Formular aus, mein Kind. Und
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