Sandra und die Stimme der Fremden
sie die Dackelhündin. Sie hob deren Lider, öffnete die Schnauze, schnupperte den schwachen Atem und tastete den Leib ab, den krampfartige Zuckungen durchliefen.
Sie blickte Herrn Seibold an. „Waren Sie mit ihr am Fluß?“ Herr Seibold nickte. „Wie jeden Abend.“
„Hat sie sich in Aas gewälzt?“
Florian Seibold dachte nach und schüttelte dann den Kopf. „Sie blieb wie immer an meiner Seite.“
Die Katzen-Marie knurrte ungläubig. „Alle Hunde nutzen die Gelegenheit, sich in faulendem Fisch oder anderem Kadaver zu wälzen“, brummte sie.
„Susi nicht“, widersprach Herr Seibold gereizt. „Wenn wir spazieren gehen, bleibt sie neben mir. Höchstens, daß sie ein paar Schritte vor- oder zurückläuft und im Gras am Uferrand ihr Geschäft verrichtet.“
„Sieht mir aber trotzdem aus, als ob sie etwas gefressen hätte.“
„Sie meinen, es könnte eine Vergiftung sein?“
Die Katzen-Marie nickte. „Die Anzeichen sprechen dafür.“ Sie wandte sich an Frau Ansbach. „Holen Sie feuchte, heiße Tücher und eine Wärmflasche. Und Sie rufen besser den Tierarzt, Herr Seibold. Susi braucht ärztliche Versorgung.“
Susi war vergiftet worden? Florian Seibold konnte es nicht fassen.
Dann plötzlich, während er dem Freizeichen des Telefons lauschte und darauf wartete, daß der Arzt den Hörer abhob, fiel ihm das Auto ein, das er vor etwa einer halben Stunde langsam hatte an seinem Haus vorbeifahren sehen. Ein großer, dunkler Wagen war es gewesen. Wenig später hatte er eine Autotür zuschlagen hören. Das hatte ihn etwas verwundert, denn das gegenüberliegende Grundstück war unbebaut.
Dann hatte Susi im Garten kurz und laut angeschlagen, wie sie es tat, wenn ein Fremder sich der Gartenpforte näherte.
Herr Seibold hatte sich gefragt, wer ihn so spät noch besuchen könnte. Doch als die Haustürklingel stummgeblieben war, hatte er angenommen, daß der Wagenbesitzer sich in der Hausnummer geirrt und dies inzwischen festgestellt hatte. Das Auto war kurz darauf wieder weggefahren.
Sollte der Anschlag der Katzen-Marie gegolten haben, und der Täter hatte die Grundstücke verwechselt? Die Gartenmauern entlang der Straße unterschieden sich in der Dunkelheit kaum voneinander.
„Sauerborn“, meldete sich der Tierarzt.
„Seibold, bitte entschuldigen Sie, Herr Doktor. Mein Dackel, Sie kennen Susi ja, braucht dringend Ihre Hilfe“, sagte Florian Seibold und schilderte dem Arzt, in welchem Zustand er Susi gefunden hatte und welche Maßnahmen zur Zeit getroffen wurden.
„Heiße Umschläge sind gut. Aber könnten Sie das Tier nicht herbringen? Ich habe hier bessere Möglichkeiten für eine genaue Untersuchung. Vielleicht muß ich auch operieren“, sagte der Arzt.
Florian Seibold fing vor Angst an zu schwitzen. O Gott, die arme Susi! „Ich rufe ein Taxi“, sagte er. „Vielen Dank, Herr Doktor.“
Er drückte mit zitternden Händen die Telefongabel herunter und wählte die Nummer der Taxizentrale.
Das Taxi war wenige Minuten später zur Stelle.
Herr Seibold und Frau Ansbach trugen den Korb mit Susi, die bewußtlos zu sein schien, zu dem mit laufendem Motor wartenden Wagen.
Die Katzen-Marie folgte ihnen.
„Vielen Dank für Ihre Hilfe, Frau Arnold“, sagte Herr Seibold, bevor er einstieg. Von seinem Verdacht bezüglich des Anschlags hatte er der Katzen-Marie nichts erzählt, um sie nicht zu ängstigen.
Das Taxi fuhr ab.
Auch Frau Ansbach bedankte sich noch einmal bei Frau Arnold. „Wie geht’s Plus?“ fragte sie.
„Den ärgert seine Manschette, also wird er wieder. Auch sein Appetit ist enorm. Scheint ein robuster Kerl zu sein. Die Susi ist ja leider schon alt. Aber auch zäh!“ fügte die Katzen-Marie schnell hinzu, als sie sah, daß Frau Ansbach betroffen zusammenzuckte. „Schließlich hat sie jeden Kampf mit Tiger überlebt, da wird sie auch das überstehen“, brummte sie und schlurfte davon.
Der Tierarzt stellte tatsächlich eine Lebensmittelvergiftung bei Susi fest.
Nur dem glücklichen Umstand, daß Herr Seibold sie so schnell gefunden hatte, wodurch rasche ärztliche Hilfe möglich wurde, verdankte Susi ihre Überlebenschance, erklärte Dr. Sauerborn Susis verstörtem Herrn.
Als Florian Seibold Susi in Frau Ansbachs Obhut zurückgegeben hatte, suchte er im Licht einer Taschenlampe den Garten nach Resten des vergifteten Fleisches ab, das Susi beinahe zum Verhängnis geworden wäre.
Er fand in der Nähe der Gartenpforte tatsächlich Brocken rohen Hackfleisches und einige
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