Sandra und die Stimme der Fremden
nicht gewillt, die Täterin oder den Täter ungestraft davonkommen zu lassen.
Der Täter schlägt zu
Es war Freitagabend.
Ein warmer, sonniger Herbsttag ging zu Ende.
Florian Seibold saß in dem tiefen Ohrensessel am Wohnzimmerkamin und las in einem Buch.
Eine blasse Mondsichel stand am Himmel. Durch die offene Terrassentür drang der Geruch von Flußwasser und frisch gemähtem Rasen.
Auf dem Grundstück der Katzen-Marie war das Gackern der Hühner, das Bellen der Hunde und das Schnattern der Enten verstummt.
Florian Seibold genoß die stimmungsvolle Ruhe seines Hauses, bevor der gewohnte, spätabendliche Lärm der Mopeds und Motorräder die Stille durchbrechen würde.
Als er sie in der Ferne mit knatterndem Auspuff herankommen hörte, wußte er, daß die Föhren-Allee nun eine gute Stunde lang als Ersatz für den Hockenheimring herhalten mußte.
Florian Seibold stand seufzend auf, ging zur Tür und rief Susi, die sich im Garten herumtrieb, herein, um die Terrassentür schließen zu können.
Doch Susi, die gewöhnlich laut kläffend an der Gartenmauer entlanglief und gegen die stinkenden Krachmacher protestierte, meldete sich nicht.
Sollte sie Tiger nachjagen? fragte sich Florian Seibold. Er entschied sich jedoch gegen diese Möglichkeit. Tigers Anblick reizte Susi so sehr, daß sie sich nahezu die Lunge aus dem Leib bellte.
Diese ungewohnte Stille wirkte gespenstisch.
Florian Seibold beugte sich über die Terrassenmauer, um zu kontrollieren, ob die Seitenpforte offenstand.
Natürlich war sie geschlossen. Er selbst hatte vor den Abendnachrichten den Schlüssel abgezogen. Es entsprach auch gar nicht Susis Gewohnheit, das Haus allein zu verlassen. Sie lief nie auf die Straße hinaus.
„Susi...! Susi!“ Herrn Seibolds Stimme kämpfte gegen das Dröhnen der Motorräder an, die draußen ohne Schalldämpfer vorbeidonnerten. Er schritt, ärgerlich auf Susi und gleichzeitig um sie besorgt, die Steinstufen zum Garten hinunter.
Fast wäre er über Susi gestolpert.
Susi lag zusammengekrümmt am Fuß der Treppe. Ihre Schnauze ruhte auf der untersten Stufe. Es schien, als wäre sie auf ihrem Weg ins Haus zusammengebrochen oder niedergestreckt worden.
„Susi...! Ja, um Himmels willen, Susi, was ist passiert? Frau Ansbach, schnell, kommen Sie, Frau Ansbach!“ rief er in Panik.
Er nahm Susi auf den Arm. Gott sei Dank, ihr Herz schlug, sie war nicht tot! Er eilte mit ihr ins Haus und rief immerfort weiter nach Frau Ansbach.
In Frau Ansbachs Zimmer ging die Nachttischlampe an. Frau Ansbach hatte sich nicht wohlgefühlt und war deshalb früher als gewöhnlich zu Bett gegangen.
Sie blickte auf den Wecker: Einundzwanzig Uhr! Und unten schrie der Hausherr wie ein aufgespießter Eber.
Die Haushälterin öffnete ihre Zimmertür, rief: „Ich komme! Was ist denn los?“ und kleidete sich mit bebenden Fingern an.
Als sie herunterkam, hatte Herr Seibold Susi in den Korb gebettet, der ihr früher einmal als Lager zugewiesen worden war, den sie jedoch ablehnte, weil sie lieber auf dem Fell vor Herrn Seibolds Bett schlief.
„Tiger?“ fragte Frau Ansbach, einen Kampf zwischen Susi und ihrem Erzfeind vermutend. „Ist sie schwer verletzt?“
„Ich weiß nicht. Ich kann nichts entdecken.“ Herr Seibold blickte Frau Ansbach vorwurfsvoll an. „So tun Sie doch etwas!“
„Bin ich ein Tierarzt?“ erwiderte Frau Ansbach ärgerlich, denn sie war noch verstört durch die plötzliche Schlafunterbrechung.
Aber als sie Herrn Seibolds aschfahles Gesicht sah, riß sie sich zusammen. „Ich rufe die Katzen-Marie. Sie kennt sich in Tierkrankheiten aus“, sagte sie, eilte zum Telefon und wählte Frau Arnolds Nummer.
„Frau Arnold? Hier ist Frau Ansbach von nebenan. Mit unserer Susi scheint etwas passiert zu sein. Könnten Sie wohl mal nach ihr sehen?“ bat sie, nachdem die Katzen-Marie sich gemeldet hatte.
„Tiger?“ fragte auch die Katzen-Marie erschrocken.
„Nein, diesmal nicht, glaube ich. Es sind keine äußeren Verletzungen an ihr festzustellen. Aber sie reagiert nicht. Sie liegt wie tot.“
„Bin gleich da. Muß mir was anziehen“, brummte die Katzen-Marie.
Schneller, als sie es bei der schwerfälligen alten Frau mit den geschwollenen Füßen erwartet hatten, klingelte sie an der Vordertür.
Frau Ansbach ließ sie herein und führte sie zu Susis Krankenlager.
„Gehen Sie mal weg da!“ sagte Frau Arnold zu Herrn Seibold und schob ihn von dem Korb fort, vor dem er kniete.
Zart und vorsichtig untersuchte
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