Sanft kommt der Tod
Note macht ein Viertel unserer Gesamtnote in amerikanischer Geschichte aus, deshalb wollte ich es so gut wie möglich machen. Ich bin die Beste meines Jahrgangs, und dies ist eins der wichtigsten Projekte dieses Halbjahres.«
»Okay, du hast also die Lerngruppe verlassen, um zu Mr Foster zu gehen.«
»Ja, Ma'am. Ms Hallywell hat uns einen Erlaubnisschein gegeben, damit wir etwas früher zu Mr Foster gehen können. Er isst montags immer in seinem Klassenzimmer und hat den Schülern erlaubt, in der letzten Viertelstunde zu ihm zu kommen und mit ihm zu sprechen, falls es etwas Wichtiges gibt.«
»Um wie viel Uhr genau habt ihr die Lerngruppe verlassen?«
»Ich habe den Erlaubnisschein. Darauf ist die Zeit vermerkt.« Wieder sah sie ihren Vater an und zog, als er nickte, das Papier hervor. »Melodie hat auch einen. Das verlangt die Schulordnung. Auf dem Schein steht zwölf Uhr siebenundvierzig.«
Eve machte sich eine gedankliche Notiz, selbst den Weg zu gehen, um zu sehen, wie lange es dauerte, bis man zu Fosters Klasse kam. »Und ihr seid direkt von der Lerngruppe zu dem Klassenzimmer gegangen.«
»Oh ja, Ma'am. Wenn man sich im Flur rumtreibt, ist das ein Verstoß gegen die Schulordnung, und drei Verstöße innerhalb von dreißig Tagen führen zu einem Verlust bestimmter Privilegien.« Der Ton, in dem sie sprach, erinnerte Eve daran, dass Rayleen zu der Art von Kindern zu gehören schien, der sie während ihrer eigenen Schulzeit möglichst aus dem Weg gegangen war. »Ich habe noch nie gegen die Schulordnung verstoßen.«
»Schön für dich. Wie lange habt ihr für den Weg von der Lerngruppe zu Mr Fosters Klassenzimmer gebraucht?«
»Oh, höchstens ein paar Minuten. Vielleicht drei. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber wir sind direkt dorthin gegangen. Unterwegs haben wir über das Projekt gesprochen und ein paar Ideen ausgetauscht. Die Tür war geschlossen, deshalb haben wir erst angeklopft und sie dann aufgemacht. Es hat schlecht gerochen. Ich glaube, nach Erbrochenem. Melodie hat etwas über den Geruch gesagt und ...« Sie presste die Lippen aufeinander. »Ich habe gelacht. Es tut mir wirklich leid. Ich habe nicht gewusst, dass ihm etwas passiert war, Daddy, ich habe es nicht gewusst.«
»Schon gut, Ray. Natürlich hast du es nicht gewusst.«
»Dann haben wir ihn gesehen. Er lag auf dem Boden und war ...« Sie bekam einen leichten Schluckauf und krabbelte von ihrem Stuhl in den Schoß von ihrem Dad.
»Jetzt ist alles gut, Baby. Jetzt ist alles gut.« Während er seiner Tochter sanft über die Haare strich, bedachte er Eve mit einem durchdringenden Blick. »Lieutenant.«
»Sie wissen, dass ich das Gespräch zu Ende bringen muss. Sie wissen, dass es wichtig ist, dass sie mir so schnell wie möglich alle Einzelheiten nennt.«
»Mehr weiß ich nicht.« Ihre Stimme klang gedämpft, da ihr Gesicht an der Brust des Vaters vergraben war. »Wir sind einfach weggerannt. Und dann war da Mr Dawson und meinte, wir sollten bleiben, wo wir sind. Ich glaube, ich habe mich hingesetzt. Ich habe mich auf den Fußboden gesetzt, wir haben geweint, und dann kam Mr Dawson wieder. Seine Hände haben gezittert, als er sein Handy aus der Tasche gezogen und Ms Mosebly angerufen hat.«
»Hast du sonst noch irgendwen gesehen, der in das Klassenzimmer gegangen oder dort herausgekommen ist?«
»Ms Mosebly ist an die Tür getreten, dann hat sie die Schulschwester gerufen, und sie haben uns - Melodie und mich - ins Krankenzimmer gebracht.«
»Hast du auf dem Weg zu Mr Fosters Klassenzimmer irgendwen gesehen?«
»Ich glaube, ja, ich glaube, Mr Bixley kam von der Jungentoilette. Er hatte seinen Werkzeugkasten in der Hand, weil eins der Waschbecken verstopft gewesen war. Das war, bevor uns Mr Dawson entgegenkam und sich unsere Erlaubnisscheine angesehen hat. Ich bin als Erste reingegangen, ich war als Erste in dem Raum. Ich war die Erste, die ihn gesehen hat.«
Ihr Gesicht war tränenüberströmt, und sie stieß mit erstickter Stimme aus: »Ich kann einfach nicht verstehen, dass Mr Foster tot sein soll. Ich kann es einfach nicht verstehen. Er war mein absoluter Lieblingslehrer.«
Ihre Schultern bebten, und sie klammerte sich abermals an ihrem Vater fest.
»Mehr können Sie nicht von ihr verlangen«, stellte Oliver mit ruhiger Stimme fest. »Ich werde sie jetzt nach Hause bringen.«
»Falls ihr noch irgendetwas einfällt...«
»... werde ich Sie kontaktieren.«
Damit stand er auf, nahm seine Tochter auf den Arm und trug sie aus dem
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