Sanft sollst du brennen
war eröffnet.
Mitten in den Streit hinein platzte Vanessa. Sie trug einen hellgrauen Hosenanzug aus Seide und war es gewohnt, dass sich alle nach ihr umdrehten, wenn sie einen Raum betrat. Die schwarzen Haare zu einem Knoten geschlungen, machte sie den Eindruck einer Frau, die weiß, wie schön sie ist.
»Na, was für eine reizende Versammlung«, sagte sie sarkastisch. Dann blickte sie auf die Uhr und fuhr fort: »Wir sind alle da. Wo ist der Anwalt?«
Bryce blickte ebenfalls auf seine Armbanduhr und sagte: »Bis dreizehn Uhr sind es noch zehn Minuten.«
Vanessa versuchte, die Verbindungstür zum Büro des Anwalts zu öffnen, aber sie war verschlossen.
»Anscheinend will er nicht, dass wir uns an seinen Akten vergreifen«, sagte sie.
»Er sollte uns nicht warten lassen. Das ist ungeheuerlich«, murrte Roger. »Meinen Anteil am Geld wird diese Kanzlei nicht verwalten, das verspreche ich euch.«
»Was schätzt du, wie viel überhaupt da ist?«, fragte Bryce.
»Millionen«, antwortete Roger.
»Das ist keine Antwort auf die Frage. Wie viele Millionen?«, wollte Ewan wissen.
»Ich nehme an, so um die sechzig Millionen«, sagte Bryce.
»Das ist aber hoch geschätzt«, entgegnete Ewan.
»Schätzen ist sowieso zwecklos«, warf Vanessa ein.
Ewan blickte sie finster an. »Warum bist du eigentlich hier?«
»Ihr zwei seid noch nie miteinander klargekommen, was?«, sagte Roger.
»Das ist noch untertrieben. Ich verabscheue sie«, erklärte Ewan. »Sie tut immer so heilig. Sie ist nichts als ein Snob, und mit solchen Leuten kann ich nichts anfangen.«
»Die Zuneigung beruht auf Gegenseitigkeit«, versicherte sie ihm.
»Ich wiederhole meine Frage: Warum bist du hier?«, sagte Ewan.
»Bryce und ich haben jeder einen Brief bekommen.«
»Und du konntest nicht mit deinem Ehemann fahren?«
»Ich hatte einen Termin im Kunstbeirat. Das ist etwas Kulturelles, das verstehst du sowieso nicht.«
Ihre herablassende Art machte ihn wütend. An Bryce gewandt sagte er: »Wie hältst du sie nur aus?«
Bryce lächelte seine Frau an. »Die Frage sollte eher lauten, wie sie mich aushält.«
»Oh, bitte. Dein Selbsthass ist mir schon vor Jahren auf den Wecker gegangen«, schnauzte Ewan seinen Bruder an.
Weitere gehässige Bemerkungen von Ewan blieben Vanessa erspart, denn die Tür ging auf, und Anderson Smith trat in Begleitung seines Assistenten in den Raum.
Der Anwalt sagte kein Wort, aber sofort wandten sich ihm alle zu. Er stellte sich und Terrance vor und schüttelte jedem die Hand. Bei Vanessa fing er an.
Der ältere Gentleman hatte eine charismatische Ausstrahlung. Amüsiert stellte Vanessa fest, dass sich selbst die Brüder auf einmal tadellos benahmen. Terrance schloss die Tür auf, und sie betraten das Heiligtum des Anwalts.
Als Roger die Videoausrüstung sah, fragte er überrascht: »Wofür ist das? Sehen wir uns einen Film an?«
»Ich würde es nicht als Film bezeichnen«, erwiderte Anderson. »Bitte, machen Sie es sich bequem. Wir beginnen in wenigen Minuten.«
»Warum können wir nicht sofort anfangen?«, fragte Ewan.
Anderson trat an die Bürotür und zog sie zu. Dann antwortete er: »Wir sind noch nicht vollzählig.«
23
Dylan vergewisserte sich, dass ihnen niemand folgte, und als sie sich Savannah näherten, verließ er die Autobahn und fuhr auf weniger befahrenen Straßen in die Stadt hinein.
Er verfuhr sich natürlich sofort, aber als männlicher Buchanan kam er überhaupt nicht auf die Idee, nach dem Weg zu fragen. Kate informierte ihn über einige historische Fakten der Schwesterstadt von Charleston und achtete nicht darauf, wo er entlangfuhr.
»Savannah wird auch das Juwel des Südens genannt«, sagte sie. »Aber das weißt du vermutlich schon.«
»Hm.«
»Hörst du mir überhaupt zu?«
»Aber sicher. Du bist ein Juwel.«
»Nein, Savannah ist das Juwel.«
»Ja«, stimmte er zu. »Aber du auch, Pickles.«
Sie warf ihm einen strengen Blick zu, ergriff ihr Handy und checkte ihre neuen Nachrichten.
Dylan hatte immer noch nicht den richtigen Weg gefunden. An diesem Park war er bestimmt schon ein paarmal vorbeigekommen.
Entschlossen fuhr er nach Westen. Einige Blocks weiter musste er anhalten, um Fußgänger über die Straße zu lassen. Zufällig blickte er auf die Hausnummer des Hauses auf der anderen Straßenseite.
Donnerwetter, sie waren genau da, wo sie hinwollten.
Die Anwaltskanzlei stand an einem großen Platz, der von einem Park umgeben war. In der Mitte stand das Monument eines
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