Sanft sollst du brennen
Mann ist wirklich mürrisch. Ich glaube, er kann gar nicht lächeln. Zuerst habe ich geglaubt, er macht mir Probleme, aber selbst als er mich zu meinen Auszeichnungen beglückwünscht hat, hat er finster ausgesehen. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich daran gewöhnt habe.« Kopfschüttelnd fügte er hinzu: »Er erinnert mich irgendwie an meinen Vater.«
»Dein Vater ist nicht mürrisch. Er ist lieb. Er ist immer so nett zu mir.«
»Er mag dich.«
»Jordan und Sydney sagen immer noch Daddy zu ihm.«
»Seine Söhne nicht. Wir nennen ihn ›Sir‹. Er hat uns mit harter Hand erzogen, aber wahrscheinlich ging es nicht anders. Es war wohl nicht einfach, sechs Jungs von Problemen fernzuhalten.«
Kate erinnerte sich noch gut daran, wie angespannt Richter Buchanan im Krankenhaus mit ihnen gewartet hatte, als Dylan operiert wurde. Es mochte ja sein, dass er streng mit seinen Söhnen war, aber er liebte sie über alles.
»Ich hasse Krankenhäuser.«
Ihr war nicht klar gewesen, dass sie laut geflüstert hatte, bis Dylan sagte: »Ja, das kann ich mir vorstellen.«
Er legte seine Hand auf ihre. »Wie kommst du auf Krankenhäuser?«
Kate wollte nicht darüber sprechen. »Einfach so«, erwiderte sie ausweichend.
Auf dem Highway war nicht viel Verkehr, und Dylan fuhr entspannt.
»Ich habe heute früh mit Nate gesprochen«, sagte er. »Er wusste ja, dass wir nach Savannah fahren, und ich hatte ihn gebeten, ein paar Dinge zu überprüfen.«
Kate wandte sich zu ihm. »Ja?«
»Er hat uns doch gesagt, dass das Lagerhaus einer Unternehmensgruppe gehört, er aber Schwierigkeiten hatte herauszufinden, wer die Anteilseigner sind. Und jetzt weiß er es. Rate mal, wer der Haupteigner ist.«
»Wer?«
»Carl Bertolli.«
Den Namen hatte sie nicht erwartet.
»Carl? Bist du sicher? Das kann nicht sein.«
»Glaubst du, Nate hat das erfunden?«
»Nein, natürlich nicht, aber ausgerechnet Carl? Er hat nie etwas davon erwähnt. Warum sollte er es mir nicht sagen, wenn ihm das Lagerhaus gehört?«
»Offensichtlich wollte er nicht, dass du es weißt.«
»Wusste Jennifer es denn?«, fragte sie. »Ja, klar, als Maklerin muss sie es gewusst haben. Hat schon jemand mit ihr gesprochen?«
»Sie ist mit ihrer Familie zum Camping gefahren, aber morgen früh ist sie wieder da. Nate vermutet, dass Carl sie angewiesen hat, dir nichts zu sagen.«
Kate wurde aus dem Ganzen nicht schlau. Das machte keinen Sinn.
»Was hätte Carl denn davon gehabt, wenn sein Eigentum in die Luft fliegt? Selbst, wenn das Gebäude hoch versichert gewesen wäre?«
Ihre Gedanken überschlugen sich. »Er braucht das Geld doch gar nicht. Und was hätte er davon, mich zu töten? Nein, das macht überhaupt keinen Sinn.«
»Das FBI durchleuchtet mit Sicherheit Carls finanzielle Situation. Wenn es ein Motiv gibt, dann finden sie es.«
»Das FBI wird nichts finden.«
»Lass dich überraschen. Jeder hat Geheimnisse.«
Kate konnte es nicht fassen. »Darüber muss ich erst noch nachdenken.«
»Ich gebe dir noch was zum Nachdenken. Compton Thomas MacKenna war dein Großonkel.«
»War?«
»Genau. Er starb gestern Abend, exakt zwei Stunden bevor der Brief verschickt wurde. Laut seinem Anwalt, Anderson Smith, hat Compton detaillierte Anweisungen hinterlassen, wie seine Verwandten zu benachrichtigen seien.«
»Und warum?«
»Du und deine Schwestern seid zur Testamentseröffnung geladen.«
Enttäuschung stieg in ihr auf.
»Dann kann ich ihm ja gar keine Fragen stellen. Eigentlich brauchen wir nicht mehr hinzufahren. An dem, was der Mann hinterlassen hat, bin ich nicht interessiert.«
»Aber deine Schwestern vielleicht.«
»Ich gebe ihnen gerne die Telefonnummer des Anwalts, damit sie mit ihm sprechen können. Da vorne kommt die nächste Ausfahrt, dort können wir zurückfahren.«
»Kate, du und deine Schwestern habt nicht als Einzige einen Brief bekommen. Deine Vettern werden auch da sein. Interessiert dich das nicht?«
»Nur Vettern?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Der Anwalt hat nur Vettern erwähnt. Smith meinte auch, sie wüssten nicht, dass du kommst. Sie wissen noch nicht einmal, dass es dich und deine Schwestern gibt.«
Kate wurde immer mutloser. »Ich bin wirklich nicht interessiert. Fahr langsamer, sonst verpasst du die Ausfahrt.«
Dylan fuhr vorbei.
»Dylan, ich habe dir doch gesagt, ich bin nicht interessiert. Es gibt gar keinen Grund für mich, zu dieser Testamentseröffnung zu gehen. Wenn diese Leute nichts von mir und meinen Schwestern
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