Sanft sollst du brennen
Bürogebäude umgebaut worden war.
In der großen Empfangshalle fiel sofort das bunte Bodenmosaik ins Auge. Eine prächtige Treppe führte zu einer umlaufenden Galerie, die auf weißen dorischen Säulen ruhte.
Dylan erwartete beinahe, dass eine Südstaatenschönheit im Reifrock die Treppe herunterrauschte, aber stattdessen lächelte ihnen hinter einem Mahagonischreibtisch eine Empfangsdame im dunklen Kostüm mit Seidenbluse und Perlenkette entgegen.
Als Dylan eintrat, ging natürlich sofort der Alarm los, aber nachdem er seinen Ausweis gezeigt hatte, hörte das pulsierende Geräusch auf. Kate, die geduldig neben ihm gewartet hatte, bis er überprüft worden war, brauchte ihren Namen nicht zu sagen. Die junge Frau am Empfang wusste, wer sie war.
»Guten Tag, Miss MacKenna. Mr Smith kommt sofort.«
Kurz darauf kam der Anwalt die Treppe heruntergeeilt. Das Lächeln, mit dem er sie bedachte, wirkte aufrichtig. Aber er war Anwalt, und dazu noch ein sehr erfolgreicher, rief Kate sich ins Gedächtnis. Er konnte seine wahren Gefühle sicher gut verstecken.
Er streckte ihr die Hand entgegen.
»Ich bin Anderson Samuel Smith, und es freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Miss MacKenna. Es freut mich außerordentlich.«
Kate fand ihn sofort sympathisch.
»Ich bin seit sieben Jahren der Anwalt Ihres Großonkels Compton«, fuhr er fort, »und ich glaube, er war in unserer Kanzlei in besten Händen. Er war ein sehr interessanter Mann. Vielleicht ergibt sich ja die Gelegenheit, dass ich Ihnen bei einem Abendessen erzähle, was ich über ihn weiß.«
»Kannten Sie seinen Bruder?«, fragte Kate.
»Ja, Miss MacKenna. Allerdings hat unsere Kanzlei ihn nicht vertreten.«
»Bitte, nenne Sie mich Kate.«
Wieder lächelte er sie strahlend an.
»Kate. Ein schöner Name. Und Sie müssen mich unbedingt Anderson nennen.«
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, möchte ich mich gerne ein wenig frisch machen.«
»Gute Idee«, warf Dylan ein.
Gute Idee? Was sollte das denn heißen? Entweder sah sie furchtbar aus, oder er wollte mit dem Anwalt alleine sprechen.
Anderson führte sie zur Damentoilette und kehrte dann zu Dylan in die Eingangshalle zurück.
Kate wusch sich die Hände und musterte sich im Spiegel. Okay, sie sah ein bisschen zerzaust aus, aber so schlimm nun auch wieder nicht. Sie würde sich rasch ein wenig zurechtmachen, beschloss sie. Sie kramte in ihrer Tasche und holte ihr Rouge und ihren Lippenstift heraus, um ihr Make-up aufzufrischen.
Okay, jetzt ging es wieder. Aufmunternd lächelte sie ihrem Spiegelbild zu. Vielleicht würde sie ihre Verwandten ja sogar mögen.
Sie straffte die Schultern, flüsterte: »Los geht’s!«, und öffnete die Tür.
Dylan war ins Gespräch mit dem Anwalt vertieft, der ihm mit ernster Miene etwas erklärte.
Kate wollte die beiden nicht stören und wartete am Empfangstisch, bis sie fertig waren.
Als Anderson sie erblickte, lächelte er wieder. »Lassen Sie uns nach oben gehen«, schlug er vor und ging voran.
Kate flüsterte Dylan zu: »Du machst ja so ein finsteres Gesicht. Was ist denn los?«
Sollte er sie warnen? Oder war es besser, wenn sie den Vipern, die Anderson ihm gerade beschrieben hatte, unbefangen gegenübertrat?
Er beschloss, sie ein wenig vorzuwarnen. »Ich glaube nicht, dass dir deine Vettern gefallen werden.«
»Vielleicht doch«, erwiderte sie, entschlossen, sich wenigstens einen letzten Rest Optimismus zu bewahren.
»Nein, eigentlich bin ich mir ziemlich sicher, dass du sie nicht mögen wirst.«
Kate blieb stehen, und als er ihren mutlosen Blick sah, wünschte er, er hätte gar nichts gesagt.
»Bleib einfach ganz gelassen«, flüsterte er.
Sie hatten gerade die letzte Stufe erreicht, als sie einen Mann eine grobe Obszönität schreien hörten. Kate blieb wie angewurzelt stehen und blickte Dylan an. Er zuckte mit den Schultern.
Anderson warf ihnen einen peinlich berührten Blick zu.
»Einen Augenblick, bitte«, sagte er.
Er eilte den Flur entlang.
Offensichtlich wollte er seine Mandanten bitten, sich zurückzuhalten, aber der Schaden war bereits angerichtet. Kate hatte Angst bekommen.
Sie packte ihn am Arm.
»Hat Anderson dir gesagt, warum ich einen Brief bekommen habe?«
»Du weißt doch, warum. Das Testament wird eröffnet.«
»Ja, aber hat er sonst noch etwas gesagt?«
»Über das Testament haben wir gar nicht gesprochen«, antwortete Dylan. »Er hat mir lediglich deine Cousins beschrieben, damit ich mich vorbereiten konnte. Und er lässt dir übrigens
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