Sanft sollst du brennen
wissen, können sie mir auch sicher keine meiner Fragen beantworten, oder? Offenbar haben ihre Eltern ihnen doch nichts erzählt.«
Sie überlegte kurz. »Kiera würde natürlich gerne etwas über Erbkrankheiten erfahren und so, aber …«
»Kate, der Anwalt hat auch Fotos von deinem Vater und andere Erinnerungsstücke, die ihm gehörten.«
Sie nickte. »Okay, ich bin doch interessiert.«
22
Roger MacKenna kam mit einer 45er Magnum zur Testamentseröffnung.
Er traf zwanzig Minuten vor der vereinbarten Zeit in der angesehenen Anwaltskanzlei Smith & Wesson ein. Um die Mittagszeit waren die schicken Bistros in der Gegend voller Gäste, und so fand er erst drei Blocks weiter einen Parkplatz. Er stieg aus dem Auto, lehnte sich an die Tür und nahm einen letzten Zug aus seiner Zigarette. Sie war bis zum Filter heruntergeraucht, und die Hitze brannte an seinen Lippen, als er das Nikotin einsaugte. Er warf sie weg und steckte sich sofort eine neue an.
Er hatte das Gefühl, sein Kopf würde explodieren. Eigentlich war er nicht in der Verfassung, um zu Fuß zu gehen, aber er würde diesen Termin nicht versäumen, und wenn er hinkriechen musste.
An seinem Elend war er ganz alleine schuld. Als er erfahren hatte, dass sein Onkel endlich gestorben war, hatte er vor Freude laut aufgeschrien. Danach hatte er sich sinnlos betrunken. Seine kleine private Feier hatte bis weit nach Mitternacht gedauert.
In der heißen, feuchten Luft wurde ihm übel, und als er endlich an der Anwaltskanzlei angekommen war, war er völlig erschöpft, außer Atem und in kaltem Schweiß gebadet. Hastig riss er die Tür auf. Ein Schwall kühler Luft blies ihm ins Gesicht, aber zugleich lösten die Sicherheitssensoren einen Alarm aus, keinen lauten, durchdringenden Sirenenton, sondern ein stetiges, pulsierendes Piepen wie bei einem Herzmonitor.
Zwei bewaffnete Wachleute stürzten auf ihn zu, und ehe er sichs versah, stand er vor der Alternative, entweder das Gebäude zu verlassen oder seine Waffe abzugeben.
Er zog die Pistole aus der Westentasche und reichte sie einem Wachmann.
»Ist die geladen?«, fragte der Mann.
»Natürlich«, fuhr Roger ihn an. »Warum sollte ich mit einer ungeladenen Pistole herumlaufen?«
»Ist Ihnen klar, dass Sie die Waffe nicht gesichert haben?«, fragte er und legte den Hebel um. »Sie wollen doch sicher nicht, dass das Ding versehentlich losgeht, oder?«
Roger antwortete nicht. Der andere Wachmann fragte: »Sir, besitzen Sie einen Waffenschein?«
»Ja, gewiss«, antwortete Roger empört.
Das war eine Lüge. Sein Bruder Ewan hatte ihm die Pistole zu seinem Schutz geliehen. Ewan besaß ein ganzes Waffenarsenal, und es machte ihm nichts aus, ab und zu eine Waffe zu verleihen.
»Wenn ich gehe, möchte ich die Pistole zurückhaben.«
Zum Glück wollten sie seinen Waffenschein nicht sehen, sondern klopften ihn lediglich auf weitere Waffen ab. Roger war außer sich. Er war Multimillionär und wollte auch so behandelt werden.
»Wissen Sie eigentlich, mit wem Sie es zu tun haben?«
Anscheinend wussten sie es nicht, denn keiner von beiden antwortete. Aber immerhin ließen sie ihn durch.
Er schäumte vor Wut, als er an die Rezeption trat und laut seinen Namen nannte. Die Empfangsdame bat ihn, einen Moment zu warten, während sie oben anrief, um ihn anzukündigen.
»Mr Smith’ Assistent, Terrance, wird sie gleich abholen und nach oben bringen«, sagte sie.
Roger brauchte nicht lange zu warten. Oben an der Treppe erschien ein junger Mann. Er trug einen eleganten, dunklen Anzug, ein weißes Hemd und Krawatte. Er stellte sich weder vor, noch schüttelte er Roger die Hand. Er sagte lediglich: »Mr MacKenna, wenn Sie mir bitte folgen würden.«
Roger ging hinter dem Assistenten her, die Treppe hoch und einen Flur entlang zum geräumigen Vorzimmer des Anwalts. Es war edel eingerichtet und der Teppich dick, die Gemälde an den Wänden schienen echt zu sein.
Der Ort roch förmlich nach Geld, und Roger war beeindruckt. Er kannte zwar den Anwalt seines Onkels gar nicht, benutzte aber trotzdem den Vornamen, als er fragte: »Wo ist Anderson?«
»Mr Smith kommt sofort. Kann ich Ihnen in der Zwischenzeit etwas zu trinken anbieten?«
Roger bestellte sich einen doppelten Bourbon, und als der Assistent sich zum Gehen wandte, rief er hinter ihm her: »Bringen Sie gleich die ganze Flasche mit. Mein Bruder und ich möchten …«, beinahe wäre ihm herausgerutscht: »feiern«, aber im letzten Moment sagte er: »Auf unseren Onkel
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