Sanft sollst du brennen
zusammen ein neues Trainingsgerät herstellen und verkaufen, aber das Unternehmen ist den Bach runtergegangen. Deshalb baut er auf das Erbe. Wenn er es nicht bekommt, kann er möglicherweise demnächst im Knast trainieren.«
Dylan hörte Papier rascheln, als Nate die Seite umblätterte.
»Lass sehen«, fuhr Nate fort. »Bryce – das ist der Älteste, oder?«
»Ja«, bestätigte Dylan.
»Keine Vorstrafen. Aber er hat schon auf dem College angefangen zu trinken, und als er Examen machte, war er bereits Alkoholiker. Er lag schon siebenmal wegen Leberproblemen im Krankenhaus, hörte aber nie auf mit dem Alkohol«, sagte Nate. »Vor anderthalb Jahren hat er versucht, auf die Lebertransplantationsliste zu kommen, aber das hat natürlich nicht geklappt, weil er immer noch trinkt. Man hat mir gesagt, eine Zeit lang wäre Bryce fast verrückt geworden und hätte sogar versucht, sich eine Leber zu kaufen. Er ist genauso durchgeknallt wie Ewan. Und er hat Schulden bis über beide Ohren. Dass seine Frau letztendlich für seine Schulden geradestehen muss, scheint ihn nicht zu stören. Anderson Smith hat gesagt, die Ärzte geben Bryce noch etwa sechs Monate.«
»Was ist mit seiner Frau?«, fragte Dylan. »Mir ist aufgefallen, dass sie keinen Ehering trägt. Leben sie nur getrennt, oder sind sie geschieden?«
»Nein, sie sind noch verheiratet«, erwiderte Nate. »Sie wollte sich scheiden lassen, aber als man ihr sagte, dass Bryce bald sterben würde, wollte sie bis zum Ende bei ihm bleiben.«
»Weißt du das ebenfalls von Anderson?«
»Ja«, erwiderte Nate. »Er respektiert … Wie heißt sie noch mal?«
»Vanessa«, antwortete Dylan.
Erneut hörte Dylan, wie Nate umblätterte. Einige Sekunden vergingen, und dann sagte Nate: »Ah, da ist sie. Keine Vorstrafen, noch nicht einmal ein Strafzettel wegen Geschwindigkeitsüberschreitung. Sie hat einige Auszeichnungen für ihre ehrenamtliche Tätigkeit bekommen und führt einen kleinen Inneneinrichtungsladen. Der Onkel mochte sie anscheinend ganz gerne.«
»Was ist mit Roger MacKenna?«
»Ich habe mir das Beste bis zuletzt aufgespart. Sie haben doch alle diese Leute kennengelernt, oder? Sie waren doch mit Kate beim Anwalt?«
»Ja.«
»Ich wette, das war hochinteressant. Kate hat alles abgelehnt, habe ich gehört.«
»Das Geld?«
»Ja«, sagte Nate. »Na, ich hätte ja für mein Leben gerne die Reaktionen der Brüder gesehen.«
»Sie wollte das Geld nicht. Sie wollte darauf verzichten, aber dann hat sie gehört, wie Bryce, Roger und Ewan über ihre Familie hergezogen sind. Da hat sie ihre Meinung geändert.«
Eine lange Pause entstand, dann brach Nate in Lachen aus. Die Neuigkeiten freuten ihn offensichtlich.
»Und was haben Sie nun über Roger herausgefunden?«, fragte Dylan ein wenig ungeduldig. Er marschierte auf dem Parkplatz auf und ab, während Nate die Informationen über den mittleren Bruder heraussuchte.
Kate beobachtete ihn vom Auto aus. Leider verstand sie kein Wort, weil die Klimaanlage so laut war. Außerdem wandte er ihr den Rücken zu.
Dann drehte er sich um und lächelte sie an. So schrecklich waren die Neuigkeiten von Nate wohl nicht. Wenn er schreckliche Dinge erfahren würde, würde er doch sicher nicht lächeln.
Aber das Lächeln hielt nicht lange an. Sie blickte nur ein paar Sekunden lang weg, als sie ihr Handy aus der Tasche zog, und als sie wieder zu ihm hinüberschaute, war er auf einmal so wütend, dass er ins Telefon brüllte.
»Ach du liebe Güte«, flüsterte sie.
Sie glaubte, den Namen eines Mannes zu hören – Jack – und fragte sich, wer das wohl sein mochte. Missbilligend runzelte sie die Stirn. Es war nicht besonders professionell, einen armen, überarbeiteten Detective anzubrüllen, und das würde sie ihm auch sagen, wenn er wieder ins Auto kam.
Kurz darauf brüllte sie selbst ins Telefon, und es war ihr völlig egal. Sie hatte gerade eine Nachricht von Haley auf ihrer Mailbox abgehört und glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen.
»Wir verpassen einander ständig«, sagte Haley. »Bitte, rufen Sie mich zurück. Diese Frau, diese Verrückte, kommt ständig in meinen Laden und redet auf mich ein. Ihr Name ist Randy Simmons, und sie behauptet, die neue Eigentümerin Ihrer Firma zu sein. Ich habe es zunächst für einen schlechten Scherz gehalten. Wenn Sie sehen könnten, wie sie angezogen ist, dann würden Sie verstehen, warum ich sie für eine Betrügerin halte. Sie ist sehr …«, Haley machte eine Pause, »ordinär. Sie wollte
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