Sanft wie der Abendwind
eine goldene Kette mit einem Anhänger aus Amethysten und Brillanten umgelegt und dazu passende Ohrringe angesteckt. Sebastian kannte sich mit Edelsteinen nicht besonders gut aus, aber ihm war klar, wie viel Geld man für sie investieren musste. Hatte ein Liebhaber Lily die Kostbarkeiten geschenkt? Oder war sie sich selbst so viel wert?
Inzwischen hatte er erste Informationen von dem Detektiv erhalten, den er mit Nachforschungen über Lily beauftragt hatte. In dem Bericht hatte es geheißen, dass sie nicht verheiratet und nicht liiert sei, seit sechs Jahren ein Apartment gemietet habe und einen drei Jahre alten Lieferwagen fahre.
Das klang nicht nach einem verschwenderischen Lebensstil, und anscheinend hatte sie keinen Liebhaber. Das überraschte ihn, Sebastian, wenn er sah, wie viel Aufmerksamkeit sie hier erregte. Die Frauen schienen von ihr bezaubert zu sein und die Männer überwältigt. Vor allem die jüngeren umschwärmten sie wie Motten das Licht und rissen sich darum, mit ihr tanzen zu dürfen.
Der Anblick genügte, um den Champagner sauer wie Essig schmecken zu lassen. Sebastian dachte unwillkürlich daran, wie Lily erschauert war, als er sie im Pool geküsst hatte, wie seidenweich sich ihre Haut anfühlte …
„Was meinst du dazu, Sebastian?“
Wie benommen wandte er sich seinem Gesprächspartner zu und versuchte, sich zu erinnern, worüber sie sich unterhielten, aber es war zwecklos.
Das merkte auch Forbes. Er richtete den Blick auf Lily und wusste sofort Bescheid. „Ach ja, eine Frau wie sie lässt einen alles andere vergessen. Das ist vermutlich Hugos ältere Tochter?“
„Ja“, erwiderte Sebastian einsilbig.
„Sie ist wirklich sehr attraktiv, stimmt’s?“
„Ja, doch.“
„Es sieht so aus, als würde sie zu uns kommen.“ Forbes legte ihm die mit Altersflecken gesprenkelte Hand auf den Arm. „Bitte, stell mich ihr vor, ich möchte sie gern kennenlernen.“
Du möchtest sie anstarren, du alter Lustmolch, dachte Sebastian zynisch.
Anmutig kam Lily die Stufen von der Terrasse herunter, und bei jedem Schritt enthüllte der hoch geschlitzte Rock ihre langen schlanken Beine – ein Anblick, der auch einem absolut gesunden Mann Herzrhythmusstörungen zu bescheren imstande gewesen wäre. Forbes, der alles andere als fit war, begann unregelmäßig zu atmen.
Ein Kellner bot ihr ein Glas Champagner an, dann hielt Hugo sie auf und machte eine Bemerkung, die sie zum Lachen brachte. Anschließend ging Lily weiter, und sie bewegte sich so unbefangen zwischen den Gästen, als wäre sie für ein Leben in Luxus geboren und hätte keinerlei Sorgen.
Schließlich kam sie zu Sebastian und Forbes, dem hörbar der Atem stockte.
„Hallo, Sebastian!“ Lily lächelte ihn an. „Ich sehe Penny nirgends. Hat sie dich versetzt?“
„Sie muss arbeiten.“
„Ausgerechnet heute?“ Ungläubig sah sie ihn schräg an.
„Penny ist Stationsschwester, keine Verkäuferin“, erwiderte er scharf. „Im Gegensatz zu dir kann sie nicht von neun bis fünf Uhr arbeiten. Forbes, darf ich Sie mit Lily Talbot bekannt machen, Hugos Tochter aus seiner ersten Ehe.“
„Ich habe nichts gegen Verkäuferinnen“, meinte Forbes und schüttelte ihr überschwänglich die Hand. „Ich bin der Maynard von ‚Preston, Maynard, Hearst und Caine‘, meine Liebe. Zu alt, um im Büro noch groß von Nutzen zu sein, aber noch nicht so hinfällig, dass ich ein hübsches Gesicht nicht zu schätzen wüsste.“
Lily lächelte ihn strahlend an. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Mr. Maynard, und würde gern länger mit Ihnen plaudern, aber“, sie hakte Sebastian unter, „dieser Mann hat versprochen, mit mir zu tanzen. Daran erinnerst du dich doch hoffentlich noch, Sebastian?“
„Ich habe dir gar nichts versprochen“, erwiderte er mürrisch, ließ sich aber von ihr zur Tanzfläche auf der Terrasse führen.
Dort nahm er Lily in die Arme, und seine Sinne gerieten in Aufruhr, als sie sich an ihn schmiegte. Ihre Hand fühlte sich warm in seiner an, ihr Haar, das sie locker aufgesteckt hatte, berührte sanft sein Kinn, und sie duftete verlockend.
Wieso verfalle ausgerechnet ich Lilys Zauber, obwohl ich mich im Gegensatz zu allen anderen nicht von ihr hinters Licht führen lasse? fragte Sebastian sich.
Plötzlich hob sie den Kopf. „Ich glaube, du hast heute Abend versucht, mir auszuweichen.“
„Ich staune, dass du noch etwas anderes bemerkt hast als die Bewunderung, die du weckst, und den Erfolg, den du bei den Männern hier
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