Sanft wie der Abendwind
Geschwindigkeit über den See her. In einem Moment saßen sie noch gemütlich zu viert beim Bridge, im nächsten verkroch Katie sich zitternd unter den Tisch, als der Donner grollte und die erste Sturmbö das Haus traf.
Während Natalie ihren Eltern half, im ersten Stock Eimer und Schüsseln unter den undichten Stellen im Dach zu verteilen, eilte Lily zum See, um sich zu versichern, dass alles unter Dach und Fach war. Sie leuchtete mit der Taschenlampe auf den Steg und entdeckte, dass zwar das große Motorboot im Bootshaus, das Beiboot jedoch noch am Steg festgemacht war. Es wurde vom Wind unablässig gegen die Stützpfosten geschlagen.
Sie hatte nicht genug Kraft, um es allein aufs Ufer zu ziehen, deshalb blieb ihr nichts anderes übrig, als einzusteigen und es entlang des Stegs und dann weiter ins Bootshaus zu bugsieren. Das wäre unter normalen Umständen schon schwierig gewesen, nun peitschte auch noch der Sturm den Regen fast waagerecht übers Wasser und nahm ihr die Sicht.
Nachdem Lily das Boot mit Mühe losgemacht hatte, wurde ihr klar, dass sie sich größere Schwierigkeiten als erwartet eingehandelt hatte. Es tanzte wie ein Korken auf dem Wasser, den Elementen hilflos ausgeliefert. Wie sollte sie stehend das Gleichgewicht wahren und sich gleichzeitig mit nur einer Hand an der Kante des Stegs entlanghangeln, wenn sie dabei auch noch die Taschenlampe festhalten musste?
Bevor sie wusste, wie ihr geschah, kenterte das Boot. Wie in Zeitlupe sah sie das dunkle Wasser immer näher kommen, dann schloss es sich über ihrem Kopf. Als sie auftauchte, wickelte sich ihr die Bugleine um den Knöchel, und nun bestand die Gefahr, dass sie, Lily, zwischen Boot und Steg zerdrückt wurde.
Immer wieder schlugen Wellen über ihr zusammen, und bestürzt erkannte sie, dass sie zu ertrinken drohte – weniger als zehn Meter vom Ufer entfernt. Es war wie ein Albtraum.
Keuchend hielt sie sich mit einer Hand am Bootsrand fest und versuchte mit der anderen, die Leine vom Knöchel zu lösen. Wieder kippte das Boot seitwärts und bäumte sich über ihr auf wie ein urzeitliches Ungeheuer, wobei sich die Leine noch enger um ihren Fuß wickelte.
Von Todesangst gepackt, rief Lily immer wieder Sebastians Namen.
Dann sah sie den Lichtstrahl einer Laterne auf dem Pfad vom Haus zum Ufer. Es erschien ihr wie ein Wunder, als Sebastian den Steg entlanglief und ihr ein Seil zuwarf.
„Lass das Boot los!“, rief er und richtete den Lichtstrahl auf sie. „Ich ziehe dich an Land.“
„Es geht nicht!“ Sie schluchzte und keuchte zugleich, denn der Atem brannte ihr in der Lunge. „Ich habe mich in der Bugleine verfangen.“
„Oh, verdammt!“ Blitzschnell stellte er die Laterne ab und sprang ins Wasser. Ein Messer schimmerte in seiner Hand auf, und dann ließ das Ziehen der Leine endlich nach. Sebastian umfasste sie, Lily, und schwamm mit ihr ans Ufer. Sie merkte, wie ihr der Kies Knie und Ellbogen aufschürfte, als sie aufs Trockene gezogen wurde, aber der Schmerz war ihr egal. Noch nie war sie so dankbar gewesen, festen Boden unter sich zu spüren.
Lange lag Lily zusammengerollt da, unfähig zu sprechen oder sich zu bewegen. Als sie schließlich den Kopf hob, kniete Sebastian neben ihr.
„Du solltest das Schwimmen im Dunkeln aufgeben“, meinte er rau. „Es bekommt dir nicht.“
„Ich weiß.“ Sie versuchte zu lächeln, brach jedoch in Tränen aus. „Oh Sebastian, ich dachte, ich müsste sterben“, klagte sie und presste das Gesicht an sein nasses Hemd. „Ich dachte, das Boot würde sinken und mich auf den Grund ziehen, und ich würde keinen von euch jemals wiedersehen.“
„So leicht wirst du uns nicht los, Lily.“
Sie blickte zu Sebastian auf, und er neigte sich über sie und küsste sie zärtlich.
„Du bereitest mir nur Schwierigkeiten“, meinte er schließlich leise. „Was, zum Teufel, soll ich nur mit dir machen?“
9. KAPITEL
Um Mitternacht hatte der Sturm sich gelegt. Am nächsten Morgen reparierte Sebastian endlich das Dach, während Hugo das Wasser im Haus aufwischte. Natalie und Lily räumten draußen auf, Cynthia bereitete das Mittagessen und servierte es auf der verglasten Veranda.
Sebastian erschien als Letzter zum Essen, und bevor er sich eine Portion Geflügelsalat nehmen konnte, begann Natalie, ihn auszufragen.
„Warum ist Penny gestern schon so früh wieder weggefahren? Wir müssen sie sonst beinah mit Gewalt rauswerfen.“
„Natalie!“ Tadelnd zog Cynthia die Brauen hoch.
„Ach, Mom, es ist
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