Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
wurde. »Endlich sind alle sicher daheim.« Und du musst in zweieinhalb Stunden aufstehen . Bei dem Gedanken stöhnte sie innerlich auf. Sie stieg die letzten Stufen hinauf, als sie plötzlich aus den Augenwinkeln etwas im Bleiglasfenster des Treppenabsatzes zu sehen glaubte.
Eine Bewegung?
Ihr eigenes verschwommenes Spiegelbild?
Critter knurrte leise, und Jennas Muskeln verkrampften sich. »Psst.« Sie spähte durch das verzerrende bunte Glas und ließ den Blick prüfend über den Hof und die Wirtschaftsgebäude ihrer Ranch gleiten – ›das Lager‹, wie Cassie es nannte. Sicherheitslampen warfen einen gespenstischen blauen Schein auf die Scheune, den Stall und die Schuppen. Die alte Windmühle stand wie ein hölzernes Skelett an der Straße, Jenna hörte das Knarren der Flügel, die sich langsam drehten. Das Haupttor stand weit offen, weil das Schloss eingefroren war und sich um die Pfosten herum hohe Schneeverwehungen aufgehäuft hatten. Die Straße zum Tor war leer – kein Motorengeräusch durchbrach die nächtliche Stille.
Dennoch, die bewaldeten Hügel und zerklüfteten Flussufer waren dunkel und in Dunst gehüllt, die wolkenverhangene Nacht bot perfekte Deckung für …
Für wen?
Sei nicht albern.
Natürlich lauerte niemand in den winterlichen Schatten.
Natürlich nicht.
Schlimmstenfalls lungerte Josh Sykes noch herum, versteckte sich hinter der Scheune und hoffte womöglich darauf, Cassie ins Haus folgen zu können.
Oder?
Es war bestimmt nichts Bedrohlicheres als ein geiler Freund, der ums Haus schlich.
Wieder knurrte der betagte Hund.
»Psst«, machte Jenna noch einmal und öffnete die Flügeltür zum Schlafzimmer, einer gemütlichen kleinen Suite, die sie mit niemandem teilte.
Sie war in diese abgelegene Gegend am Columbia River gezogen, um ihren Seelenfrieden zu finden, und deshalb würde sie jetzt das dumme Gefühl in ihrem Bauch ignorieren. Sie war einfach nur nervös und aufgewühlt, weil ihre halbwüchsige Tochter ihr Sorgen bereitete. Weiter nichts.
Trotzdem konnte sie, als sie in ihr dunkles Schlafzimmer trat, das Gefühl nicht abschütteln, dass etwas geschehen würde.
Etwas, das ihr nicht behagen würde.
Etwas Böses, das allein sie betraf.
3. Kapitel
C assie!«, rief Jenna die Treppe hinauf. »Allie! Frühstück! Beeilt euch, in einer halben Stunde müssen wir los!« Sie horchte auf Lebenszeichen von oben, ging dann in die Küche und warf einen Blick auf die Uhr über dem Herd. Sie würden zu spät kommen. So viel stand schon mal fest. In einer Dreiviertelstunde musste Allie in der Schule sein, und sie brauchten mindestens zwanzig Minuten für den Weg zur Junior High School. Jenna schaltete den Fernseher ein, schob zwei englische Muffins in den Toaster und rief: »Macht schon, Mädchen!«
Aus dem Obergeschoss ertönte das Scharren und Poltern von Schritten. Endlich.
Sie stürzte die zweite Tasse Kaffee hinunter, wäre beinahe über Critter gestolpert, der vor der Arbeitsplatte lag, stellte die leere Tasse in die Spüle und öffnete die Kühlschranktür. Immer noch kein Geräusch von fließendem Wasser. Gewöhnlich war Cassie um diese Zeit in der Dusche. Jenna nahm eine Packung Orangensaft aus dem Kühlschrank und füllte zwei Gläser. Der Toaster spuckte die Muffins aus. Im Fernsehen kündigte der Wetterbericht die bisher heftigsten Schneefälle der Jahreszeit an. Die Temperaturen waren weit unter den Gefrierpunkt gesunken.
Während sie die ersten Muffins mit Butter bestrich, hörte sie Schritte auf der Treppe. Sekunden später tauchte Cassie auf.
»Wir haben kein Wasser«, verkündete sie mürrisch.
»Wie bitte?«
»Ich habe gesagt, wir haben kein Wasser, verdammt. Ich wollte duschen – nichts!« Wie zum Beweis ging sie zur Spüle und drehte den Hahn auf. Nichts geschah.
»Kein heißes Wasser?«, fragte Jenna voller böser Vorahnung nach. Ein Problem mit dem Durchlauferhitzer wäre noch das kleinere Übel gewesen, aber wenn etwas mit den Leitungen nicht stimmte …
»Auch kein kaltes.« Cassies Blick fiel auf die Kaffeekanne. »Wie hast du …?«
»Habe gestern Abend alles vorbereitet und die Zeitschaltuhr gestellt.« Sie stand an der Spüle, drehte an den Wasserhähnen herum – vergebens. »Verdammt. Dann musst du dich heute wohl mal ungeduscht anziehen.«
»Bist du verrückt geworden? Ich kann unmöglich mit fettigen Haaren zur Schule gehen.«
»Du wirst es überleben. Und die Schule auch.«
»Aber, Mom …«
»Iss einfach dein Frühstück und zieh
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