Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
etwas so nahe Liegendes bisher entgehen können?
Während der nächsten Stunde informierte er sich eingehend über die Herstellung von Masken und Abdrücken und erfuhr, dass Masken produziert wurden, indem man den gewünschten Körperteil mit flüssigem Alginat bedeckte, um einen Abdruck oder eine Form zu erhalten. Sobald das Alginat fest wurde, löste man es behutsam von dem Körperteil und erhielt so eine Hohlform. Wenn man anschließend Gips in die Form goss, entstand eine perfekte Kopie des gewünschten Körperteils, sei es nun ein Gesicht, eine Hand, ein Fuß oder was auch immer.
»Teufel«, flüsterte Carter erneut, als ihm klar wurde, was das bedeutete. Man konnte auf diese Weise also eine Maske herstellen, die genauso aussah wie der ursprüngliche Körperteil. Diese Maske konnte angemalt und beliebig erweitert oder reduziert werden. Alginat- oder Latexstücke konnten auf die Original-Maske geklebt werden, um die Züge zu verändern oder zu verzerren.
In der Filmindustrie gab es Künstler, die auf diese Weise Monster oder Comic-Figuren schufen oder auch Gestalten altern ließen.
Carter ließ ein kurzes Video abspielen, das im Schnelldurchlauf vorführte, wie ein normal aussehender Hollywoodschauspieler sich mit Hilfe von Alginatmaske, Prothesen, Kontaktlinsen, falschen Reißzähnen und einer zottigen Perücke in einen Werwolf verwandelte. Nicht nur sein Gesicht, sondern auch seine Hand entwickelte sich langsam von einer menschlichen Hand zu einer pelzigen Pfote mit scharfen Krallen.
»Ein Künstler oder jemand, der mit Maskenbildnerei zu tun hat«, sagte Carter zu sich selbst und dachte an die Spuren von Alginat, die an Mavis Gette gefunden worden waren. »Kein Zahnarzt.«
Sie hatten in der falschen Richtung gesucht.
Er sah sich das Video noch einmal an. Wenn der Alginat-Abdruck vom Gesicht des Schauspielers genommen wurde, atmete dieser mit Hilfe von in die Nase eingeführten Strohhalmen.
Und überstand die Prozedur lebend.
Aber wenn der Betreffende, wie Mavis Gette, bereits tot war? Dann konnten ihr Gesicht und andere Körperteile ohne Zuhilfenahme von Strohhalmen für eine Form benutzt werden.
Doch im Labor hatte man Hinweise darauf gefunden, dass das Alginat auch in den Körper eingedrungen war. Als hätte sie es geschluckt oder eingeatmet.
Seine Gedanken wurde düster. War das flüssige Alginat angewendet worden, als Mavis noch lebte, als eine Art ultimative Totenmaske? Warum hatte sie sich nicht gewehrt, was den Abdruck zerstört hätte? Vielleicht hatte sie sich ja gewehrt. Oder der Täter hatte sie unter Drogen gesetzt oder sonst irgendwie ins Koma befördert … Herr im Himmel!
Das alles klang wie aus einem alten Science-Fiction-Film der B-Kategorie.
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und starrte auf den Monitor. Ihn verlangte wie rasend nach einer Zigarette – er konnte immer viel besser denken, wenn er sich bei einer Zigarette entspannte. Er kramte in seinem Schreibtisch, fand noch ein altes Nikotin-Kaugummi und schob es in den Mund. Die Wirkung war schwach, nicht annähernd das, was er jetzt gebraucht hätte, doch er kaute eifrig und surfte weiter, dieses Mal auf Websites, die sich mit der Erschaffung von Film-Monstern auseinander setzten.
Er fand ein weiteres kurzes Video und verfolgte, wie sich ein Schauspieler in einen Alien und ein anderer in einen Furcht einflößenden Satan erwandelte, während ein dritter um Jahrzehnte alterte.
War es möglich?
Hatte der Täter einen Abdruck von Mavis Gettes Gesicht genommen?
Woher sonst sollten die Alginatspuren im Kopfbereich stammen?
Handelte es sich um denselben Dreckskerl, der Sonja Hatchell entführt hatte?
Carter kaute nachdenklich und machte sich Notizen, malte gedankenverloren Kringel aufs Papier, während er versuchte, den Sinn hinter dem eben Erfahrenen zu erkennen. Was für ein Psychopath wäre das, der eine Frau umbrachte, um einen Abdruck von ihrem Gesicht oder Körper herzustellen?
Konnte Mavis Gettes Mörder ein Maskenbildner sein, jemand aus Jenna Hughes’ beruflichem Umfeld? Jemand aus der Filmindustrie?
Vincent Paladin kam ihm in den Sinn. Der Mann hatte in einer Videothek gearbeitet, aber, soweit es Carter bekannt war, nicht als Maskenbildner oder Filmregisseur. Und er lebte nicht in der Nähe. Carter hatte sich bei seinem Bewährungshelfer vergewissert. Vincent Paladin hielt sich brav in Florida auf.
Wer kam dann infrage? Ein Einheimischer? Ein Durchreisender? Was für ein Typ war er?
Carter nahm sich die
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