Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
hatte.
Carter überlegte nicht lange. Er zog die Handbremse an, lud seine Ausrüstung ab und stapfte zu Fuß weiter. Es war ein anstrengender Marsch, stetig bergan in tiefem Schnee, einen schmalen Zickzackpfad entlang, der bei den Fällen abrupt endete.
In der Dunkelheit ließ der Sheriff den Lichtstrahl seiner Taschenlampe über das silbrig schimmernde Eis wandern – Wasser, das im freien Fall über die Felsklippen hinunter in die Schlucht gefroren war. Im nächsten Moment sah er David Landis vor seinem inneren Auge genau diesen Abschnitt des gefrorenen Wassers emporklettern, hörte seine spöttischen Worte, während er die schlüpfrige Steilwand hinaufstieg, dieselben spöttischen Worte, die seit Jahren in seinem Kopf nachhallten.
»Du hast doch nicht etwa Angst?«
Ja, zum Teufel, ich habe Angst.
»Oberfeigling? Das größte Weichei aller Zeiten?«
Carters Magen krampfte sich zusammen, als er sich an den Sturz erinnerte … wie er David nicht hatte retten können. Und jetzt flüsterte der Wind in den Bäumen wie das Echo von Davids Hohn.
»Du hast doch nicht etwa Angst?«
Carter biss die Zähne zusammen.
Schnallte seine Steigeisen an und sah nicht nach unten. Er würde Jenna retten oder bei dem Versuch sterben.
Die Fahrt wurde langsamer, dann verstummte der Motor des Schneemobils.
Jenna ermahnte sich, entspannt liegen zu bleiben, Bewusstlosigkeit vorzutäuschen, ihre Rolle gut zu spielen. Bisher war es ihr gelungen.
O ja, wie Zauberei. Und jetzt bist du tausend Meilen entfernt von allem Leben und sitzt hier oben mit einem Psychopathen in der Falle.
Sie hörte, wie er das Schneemobil unterstellte, spürte dann, wie er sie wieder hochhob, und sie musste sich sehr beherrschen, nicht vor seiner Berührung zurückzuschrecken. Sie ließ den Kopf über seinen Arm in den Nacken fallen, spürte, wie ihr Haar hinabhing, sodass der eisige Wind sich darin fing.
Er hielt inne. Blieb wie vom Donner gerührt stehen. Als ob er spürte, dass etwas nicht stimmte.
Atme normal. Bleib schlaff. Du bist eine Lumpenpuppe. Zittere nicht, mach nicht die Augen auf, zucke mit keiner Wimper.
»Herrgott, du bist schön«, flüsterte er, und sie glaubte, die Stimme zu erkennen. Innerlich wand sie sich. Nach außen hin zeigte sie keine Reaktion. »Ich habe so lange gewartet.« Er verlagerte ihr Gewicht, hob sie höher, und sie spürte seinen heißen Atem auf ihrem Gesicht.
Nicht bewegen, Jenna. Was immer er auch tut, zeig keine Reaktion.
»Du bist die Frau schlechthin … meine Frau …«
Sie fürchtete, würgen zu müssen.
Er strich mit den Lippen über ihren Hals, sein warmes Fleisch ließ ihre kalte Haut prickeln. Trotzdem reagierte sie nicht, nicht einmal, als sein Mund den ihren berührte und er die Zungenspitze zwischen ihre Lippen zu schieben versuchte. Sie hätte am liebsten fest die Zähne zusammengebissen, erinnerte sich jedoch rechtzeitig all der Liebesszenen, die sie gespielt hatte, in denen ihr Partner, dem Drehbuch zufolge ihr Geliebter, ein widerwärtiges, arrogantes Schwein gewesen war.
Du kannst das, Jenna. Du kannst es.
Sie spürte, wie ihr Entführer vor Begehren schauderte, und nur mit Mühe konnte sie sich beherrschen, nicht vor ihm zurückzuweichen.
Endlich ging er weiter, sie hörte, wie eine Tür geöffnet wurde und dann mit einem schweren, metallischen Knall wieder zuschlug. Seine Schritte waren fest, und Jenna redete sich gut zu, dass sie es schaffen werde, bis sie die Stimme hörte – Cassies Stimme. Erleichterung mischte sich mit Angst.
»Hey! Du da! Lass mich hier runter! Hörst du? Ich sagte … oh … neiiin! Meine Mutter? Du Dreckskerl, lass sie los, auf der Stelle!«
Nicht, Cassie, fordere ihn nicht heraus!
»Was zum Teufel hast du mit ihr vor? Lass sie in Ruhe, verdammt noch mal!«
Ihr Entführer versteifte sich.
»Sei still!«
»Lass sie los. Du glaubst doch nicht, dass du davonkommst mit diesen … diesen Perversitäten.«
»Ach, nein?«, versetzte er bissig, und Jenna verließ der Mut. Reiz ihn nicht, Cass, um Himmels willen!
Er legte Jenna ab. Sie spürte einen kalten, glatten Untergrund, vermutlich ein Zementboden. Überhaupt war es verflucht kalt in diesem Raum. Sie hörte, wie seine Schritte sich von ihr entfernten, und wagte es, die Lider einen winzigen Spalt zu öffnen.
Rasch erkannte sie, dass sie sich in einem riesigen Raum befand. Er hatte sie mitten auf einer Bühne abgelegt, auf der Schauspielerinnen in Positur standen. Nein, keine Schauspielerinnen –
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