Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
jede einzelne Figur war eine Nachbildung ihrer selbst in einer ihrer Filmrollen. Die Kleider, der Schmuck, ein Schirm an Marnie Sylvanes Arm, eine Intellektuellenbrille auf Zoey Trammels Nase, das verschwundene Armband aus imitierten Perlen an Paris Knowltons Handgelenk. Lauter Requisiten aus ihren Filmen. Selbst die beiden Schaufensterpuppen ohne Gesichter waren durch ihre Perücken kenntlich. Katrinas lange, schwarze Locken, dazu der durchsichtige weiße, spitzenbesetzte Body, eine perfekte Imitation des Kostüms, das Jenna in dieser Rolle getragen hatte. Die andere gesichtslose Schaufensterpuppe trug bereits ein Hundehalsband und hielt ein Schlachtermesser in einer Hand; kein Zweifel, daraus sollte in Kürze die Nachbildung der Anne Parks werden.
Oh, das war widerlich …
Angesichts der Abartigkeit dieses Mannes stieg Übelkeit in Jenna auf. Was war das hier – eine eigentümliche Art von Weihestätte? Ein Wachsfigurenkabinett, in dem sie das einzige Ausstellungsstück war? Panik überkam sie, und sie musste sich zwingen, die Lider fast geschlossen zu halten und beim Anblick dieser Bühne nicht zu zittern. Ein Zahnarztstuhl war das einzige Möbelstück. Darüber hing der Arm eines Bohrers. Dunkle Flecken … Blut? … sprenkelten die Armlehne und die Kopfstütze. Was für Gräuel gingen hier vor?
Hoch über ihr waren Fotos von ihr in verschiedenen Rollen angebracht, aus Zeitschriften, vergrößert und an die Decke geheftet.
Sie wagte noch einen raschen Blick und entdeckte einen Computerraum, erleuchtet vom Schein der Monitore. Das Summen verriet ihr, dass ein Generator die ganze Anlage mit Strom versorgte.
Aber wo war Cassie?
Sie riskierte es, ein wenig den Kopf zu drehen, und dann konnte sie sich nur noch mit äußerster Mühe beherrschen. In der entgegengesetzten Ecke war eine sonderbare Vorrichtung aufgebaut: Ein riesiger Glasbehälter, und darüber hing ihre Tochter, nackt, mit geschorenem Kopf, an einer Art Balken, die Hände über dem Kopf gefesselt, die Füße auf ein schmales Fußbrett gestützt.
Jenna hätte beinahe aufgeschrien, als sie ihre Tochter sah. Die Gewissheit, dass sie verloren waren, krampfte ihr Herz zusammen wie eine eisige Faust.
Jenna zweifelte nicht daran, dass dieser Psychopath sie beide umbringen würde.
Aufwärts. Einen Schritt nach dem anderen, in ständiger Todesangst. Shane kämpfte sich hinauf, schlug die Krampen ins Eis, umklammerte die eisigen Kaskaden, sicherte sich mit dem Seil und spürte, wie der kreischende Wind an ihm zerrte. Schnee fiel vom Himmel, und es war noch dunkel – früher Morgen, doch die Dämmerung lag noch in weiter Ferne.
Trotz seiner isolierten Kleidung klapperten ihm die Zähne vor Kälte. Sein Körper war vor Anstrengung schweißgebadet. Er kam voran – langsam, stetig, nervenaufreibend, doch seine Sorge trieb ihn weiter.
Jenna war vielleicht schon tot.
Wieder sollte ein Mensch, den er liebte, Opfer der Winterkälte und eines Verrückten werden.
Cassie war wahrscheinlich auch bereits ermordet worden.
»Du geisteskranker Scheißkerl«, knirschte er, schwang seinen Eispickel und hackte eine weitere Kerbe in den gefrorenen Wasserfall. Er musste noch knapp sechs Meter erklimmen – sechs Meter voller Todesangst.
Ein neuerlicher Windstoß fuhr ihm in den Rücken, schien ihn und seine erbärmlichen Bemühungen zu verhöhnen. Carter griff nach der Kerbe im Eis, verfehlte sie, seine Füße glitten ab. Er stürzte, rutschte an der eisigen Wand entlang.
»Scheiße!«
Das Seil fing ihn auf.
Stoppte seinen rasanten Absturz.
Bewahrte ihn davor, beinahe neunzig Meter tief auf den gefrorenen Grund zu stürzen. Eine Sekunde lang dachte er an David. Mit wild klopfendem Herzen suchte er erneut Halt an der Klippe und der eisigen Kaskade, die ihm als Leiter diente.
Mit zusammengebissenen Zähnen und schmerzenden Muskeln schmiegte er sich an das gefrorene Wasser, tastete mit der Hand über sich nach dem nächsten Halt. »Ich komme, du Scheißkerl«, sagte er durch die gefrorenen Borsten seines Schnurrbarts hindurch. »Ich komme.«
»Bist du schon wach, Jenna?«, fragte er, und seine Stimme schien von überall her zu kommen, wie aus in der Dunkelheit versteckten Lautsprecherboxen. »Das hier ist mein Theater. Ich habe es dir gewidmet. Wach auf und schau dir mein Werk an, meinen Tribut an dich.«
»Tribut?«, schrie Cassie, und Jenna betete, sie möge endlich still sein. Fordere ihn nicht heraus.
»Ich weiß, dass du wach bist. Du spielst
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