Sanfte Eroberung
seine Kutsche und erstarrte für einen kurzen Moment, als sie nach ihm rief. Dann drehte er sich um und kam langsam auf sie zu. Selbst aus der Entfernung bemerkte sie seine verschlossene Miene, was wenig ermutigend war.
Lily hastete die Stufen hinab und den Gehweg entlang, so dass sie sich auf halbem Wege trafen - außer Hörweite des Kutschers und der Diener. Als Heath jedoch vor ihr stand, fröstelte sie angesichts seines kühlen Blicks.
Hilflos schaute sie zu ihm auf und fragte sich, was sie sagen könnte, um die schreckliche Kälte aus seinen Augen zu vertreiben. Wenigstens sah die Wunde auf seiner Wange nun, da sie gesäubert war, nicht mehr allzu ernst aus.
Nervös brach Lily das unangenehme Schweigen: »Du hast uns gar keine Gelegenheit gegeben, dir für Fannys Rettung zu danken.«
Sein eisiges Lächeln ähnelte einer Grimasse. »Ich habe dir bereits mehrmals gesagt, dass ich deine Dankbarkeit nicht will, Lily. «
»Nun, du hast sie trotzdem. Du hast meine Freundin gerettet, und dafür danke ich dir sehr.«
»Fanny hat mir angemessen gedankt. Wenn das dann alles ist ... « Mit einer knappen Verbeugung trat er einen Schritt zurück, als wollte er sich zum Gehen wenden.
Verzweifelt hielt Lily ihn auf, indem sie eine Hand auf seinen Arm legte. »Willst du einfach so gehen? «
»Welchen Grund hätte ich, zu bleiben, Lily?«
Das scheußliche Gefühl in ihrem Bauch wurde noch schlimmer, vor allem als seine Stimme zu einem Raunen wurde. »Es ist offensichtlich, dass wir in einer ausweglosen Situation stecken. Ich kann dich nicht dazu bringen, mir zu vertrauen. Ich schaffe es nicht, dass du mich liebst. Folglich erkläre ich mein Werben um dich für beendet.«
Stumm schaute sie ihn an, worauf er hinzufügte: »Was ist? Wolltest du nicht genau das die ganze Zeit? Du solltest froh sein, dass du bekommst, was du dir gewünscht hast. «
Aber sie war ganz und gar nicht froh! Sie wollte nicht, dass er so ging, denn nun bliebe ihnen nicht einmal mehr die Chance auf Freundschaft. Und der Gedanke, ihn möglicherweise nie wiederzusehen, war ihr unerträglich. »Heath, bitte ... ich wollte nicht, dass wir ... «
»Genug! Es gibt nichts weiter zu sagen. «
Ihre Brust krampfte sich schmerzlich zusammen, während Heath sich abwandte, zu seiner Kutsche ging und Lily abermals stehen ließ.
Diesmal fühlte sich das Brennen in ihrem Herzen an, als könnte es nie wieder aufhören.
Lily stehen zu lassen, war das Härteste, was er jemals getan hatte, dachte Heath, als seine Kutsche abfuhr. Am liebsten wäre er heute Abend überhaupt nicht mehr hergekommen, und erst recht wollte er nicht allein mit ihr reden.
Seine Wut auf sie war kaum noch zu bändigen, und er war nicht sicher, ob er sein primitives Verlangen weiterhin kontrollieren könnte. Er wollte sie bei den Schultern packen und schütteln, bis sie zur Vernunft käme, bis sie endlich seinen Antrag annehmen würde. Er wollte sie festhalten, sie beschützen und sie für immer lieben ...
Seine Reaktion war von Furcht motiviert, wie ihm sehr wohl klar war. Er hatte eine entsetzliche Angst, dass Lily ihm nie die Chance geben könnte, sie so zu lieben, wie sie es verdiente, geliebt zu werden.
Sie glaubte, die Ehe stellte ein Gefängnis für die Frauen dar, dass die Liebe ein Schicksalsschlag wäre, den man fürchten sollte. Ihre irrationale Phobie machte ihn rasend, weil er wusste, dass er diesen Kampf nicht gewinnen konnte.
Es zerriss ihn innerlich, dass Lily ihm nicht vertrauen wollte. Und deshalb hatte er sich gezwungen, fortzugehen. Machte er es ihr nämlich weiterhin leicht, sich der Frage einer Heirat zu entziehen, hatte sie keinen Grund, ihre Weigerung zu überdenken.
Er ging das größte Wagnis seines Lebens ein, doch er musste sie nötigen zu entscheiden, was sie wirklich wollte.
Der gequälte Ausdruck, den er eben in ihren großen dunklen Augen gesehen hatte, gab ihm ein wenig Hoffnung. Vielleicht traf jenes alte Sprichwort, nachdem die Liebe wuchs, je mehr man den anderen vermisste, in diesem Fall ja zu.
Doch würde Lily ihn so sehr vermissen, dass es sie in ihrem Entschluss umstimmte?
Er wünschte es sich sehnlichst. Die Rettung Fannys heute Nachmittag hatte Heath abermals bewiesen, was er längst wusste: dass er und Lily perfekt zusammenpassten. An seiner Seite hatte sie sich mutig der Gefahr gestellt. Ja, sein kleiner Wildfang war eine großartige Frau, die er für den Rest seines Lebens neben sich haben wollte.
Aber er konnte sie nicht zwingen,
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