Sanfte Eroberung
erscheinen Sie mir nicht wie ein Mann, der mühsam begreift. «
Seine Mundwinkel bewegten sich, auch wenn er ernst blieb. »Vielleicht haben Sie Recht. Ich sollte mit Arden sprechen und fragen, ob ich helfen kann. Dessen ungeachtet sollten Sie nicht vorschnell annehmen, ich würde meine ursprünglichen Besuchsabsichten aufgeben. Ich werde zu passenderer Gelegenheit wiederkommen, denn es bleibt mir ein Anliegen, dass wir einander besser kennenlernen.«
Lily hätte zu gern die Augen verdreht. »Eine passende Gelegenheit wird es nicht geben.«
» In diesem Fall muss ich Sie vom Gegenteil überzeugen.«
Sein Lächeln war umwerfend, und das war noch untertrieben ausgedrückt. Lily gefiel ihre Reaktion darauf gar nicht. Noch dazu war ihr klar, dass er sehr wohl um seine Wirkung auf Damen wusste. Ihm dürfte hinlänglich bekannt sein, dass er unwiderstehlich war.
Als er seine Zügel aufnahm und seine Grauschimmel in Schritt befahl, hielt Lily den Atem an, bis seine Lordschaft davonfuhr. Sie war unsagbar erleichtert, dass er fort war, zugleich aber auch voller Furcht, dass er wie versprochen Wiederkäme.
»Hast du vor, mir zu erzählen, was das alles zu bedeuten hatte, Lily? Ich hoffe, du hattest einen triftigen Grund, so unhöflich zu sein.«
Erschrocken blickte Lily zu ihrer Freundin auf, denn sie hatte vollkommen vergessen, dass Tess noch hier war. »Ich hatte einen überaus guten Grund, warnte ich ihn doch erst gestern Abend, dass Winifred sich nach Kräften bemühte, uns zu verkuppeln. Und er hat meine Warnung geflissentlich in den Wind geschlagen! «
»Was ist gestern zwischen euch vorgefallen? «
»Nun ...« Lily zögerte. Am liebsten hätte sie kein Wort über ihr gestriges liederliches Verhalten in dem Stall verloren, aber sie wollte keine Geheimnisse vor ihrer teuren Freundin haben. »Ich begegnete seiner Lordschaft, kurz bevor ich den Ball mit dir verließ. Ich hatte drei Gläser Champagner getrunken, weil ich so traurig war, Arabella zu verlieren, und fürchte daher, dass ich recht durcheinander war, als er mich fand.«
Tess betrachtete sie prüfend. »Er hat doch nicht versucht, deinen Zustand auszunutzen? «
»Nein ... nein, eigentlich nicht. Aber ich könnte versucht haben, ihn auszunutzen. « Sie verzog reumütig den Mund. »Ich konnte zur fraglichen Zeit nicht klar denken. Folglich sorge ich mich nun, dass ich mich ziemlich liederlich betragen und Claybourne den Eindruck vermittelt haben könnte, mir mangelte es an moralischen Grundsätzen. Das Resultat jedenfalls hast du eben gesehen. Ich möchte nicht, dass er glaubt, mich der langen Liste seiner Eroberungen hinzufügen zu können.«
»Wie ich dem Austausch entnahm, sind seine Absichten ehrbarer als das«, entgegnete Tess mit einem trockenen Schmunzeln. »Er ist den ganzen Weg gefahren, um dir einen formellen Morgenbesuch abzustatten. Ein Gentleman mit ruchlosen Intentionen tut das nicht. «
»Ruchlos sind seine Intentionen durchaus! «, konterte Lily. »Du hast ihn doch selbst gehört. Er will mir den Hof machen! «
Tess sah aus, als müsste sie ein Lachen unterdrücken. »Lily, es ist nichts Verwerfliches an seinem Wunsch, dich besser kennenzulernen.«
»Ist es sehr -wohl, sofern er der irrigen Annahme aufsitzt, unsere Bekanntschaft könnte in eine Heirat münden! «
Nun lachte Tess laut, was Lily ganz und gar nicht erfreute. »Das ist nicht komisch, Tess! «
»Ist es eigentlich schon, meine Liebe. Alle Welt würde beteuern, dass Claybourne nicht für eine Heirat zur Verfügung steht, und doch scheint er willens, dich als Ehefrau in Betracht zu ziehen. Sollte er von deiner Haltung zur Ehe erfahren ... «
»Er kennt meine Haltung, denn ich habe sie ihm gestern Abend unmissverständlich dargelegt.«
Tess wurde schlagartig ernst. »Wäre es denn so furchtbar, sich für eine Weile von ihm umwerben zu lassen? Du beraubst dich entscheidender Zukunftsperspektiven, indem du die Möglichkeit einer Heirat kategorisch ausschließt.«
Lily verzog das Gesicht. »So denkst du bloß, weil du hoffnungslos romantisch veranlagt bist - was ich nicht bin. «
»Er erscheint mir überaus charmant,
»Das ist er. « Und viel zu verführerisch, fügte Lily in Gedanken hinzu. Trotzdem beinhalteten ihre Zukunftspläne keine Ehe. Darin war nicht vorgesehen, dass sie zum festen Mobiliar eines Ehegatten wurde, der rechtmäßig über sie verfügte. Und so charmant, verführerisch oder gutaussehend besagter Gentleman oberflächlich erscheinen mochte, wusste sie
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