Sanfte Eroberung
Lage sind, weil ihr ein Vermögen verspielt habt, das ihr nicht besessen habt.«
»Aber O'Rourke hat uns zu viel Brandy gegeben und uns ermuntert, um zu hohe Einsätze am Faro-Tisch zu spielen«, jammerte Chantel. »Ich bin sicher, dass er all das um deinetwillen arrangiert hat, Fanny. Er will dich nötigen, seine chére amie zu werden. «
Fanny kniff die Lippen zusammen. »Ich weiß, was Mick möchte, aber er wird es nicht bekommen. Wir müssen uns eben überlegen, wie wir ihn bezahlen.«
Lily betrachtete die drei Freundinnen. Als sie vor zwei Tagen vor Fannys Londoner Pension erschienen war und berichtet hatte, dass sie auf der Flucht vor Lord Claybourne wäre, hatte man sie gleich willkommen geheißen.
Zu Lilys Erstaunen war das Herrenhaus recht groß und bemerkenswert elegant. Sie hatte ein eigenes Schlafzimmer im zweiten Stock bekommen und durfte frei über den Privatsalon im Stockwerk darunter verfügen. Außerdem konnte sie sich jederzeit im großen Gemeinschaftssalon und den beiden kleineren im Erdgeschoss aufhalten.
Heute Nachmittag saßen alle vier Damen in Fleurs und Chantels Salon, wo sie gemeinsam diskutierten, wie sie hinreichend Geld auftrieben, um die enormen Spielschulden zu begleichen.
Es war offensichtlich, welche große Zuneigung Fanny für die alternden Kurtisanen hegte. Wie Lily wusste, hatten sie Fanny alles gelehrt, was sie über ihr Gewerbe wissen musste, als sie vor acht Jahren herkam, und nun war Fanny entschlossen, ihnen zu helfen.
Lily konnte gut verstehen, warum die früheren Freudendamen einst in ganz London bewundert worden waren. Auch wenn Fleurs rotbraune Locken inzwischen hennagefärbt und Chantels blondes Haar geschickt über die grauen Strähnen drapiert war, handelte es sich nach wie vor um faszinierend schöne Frauen. Darüber hinaus empfand Lily beide als ausgesprochen warmherzig und charmant, obgleich ihr nicht entging, dass sie ein wenig zu verträumt und fahrig waren. Auch fiel ihr auf, dass sie die meiste Zeit damit zuzubringen schienen, ihre verlorenen Reize zu beklagen und jenen glorreichen Tagen nachzutrauern, als sie die Königinnen der Londoner Halbwelt gewesen waren.
Während der letzten zwei Tage hatte Lily unzählige Geschichten über ihre früheren Eroberungen gehört und in allen Einzelheiten erfahren, wie sie in ihre verdrießliche Lage geraten waren: An den Faro-Tischen in Mick O'Rourkes Club hatten sie an einem einzigen Abend vierzigtausend Pfund verloren.
Natürlich war Fanny umgehend zu ihrer Rettung herbeigeeilt und hatte ein Viertel der Schulden bezahlt - zehntausend Pfund, fast ihre gesamten Ersparnisse -, womit aber immer noch dreißigtausend übrig blieben. Und nun waren sie in großer Sorge, weil O'Rourke angedroht hatte, sie ins Gefängnis zu bringen.
Er wollte ihnen die Schuld erlassen, sollte Fanny ihm im Gegenzug ihre exklusiven Dienste als seine Mätresse anbieten, doch sträubte sie sich, das Angebot zu akzeptieren. Fanny kannte O'Rourke bereits näher, war er doch einer ihrer ersten Gönner zu Beginn ihrer Kurtisanenkarriere gewesen. Doch obgleich sie ehedem seine Geliebte war und er inzwischen ein gewaltiges Vermögen mit seinen erfolgreichen Spielclubs gemacht hatte, weigerte er sich, nachsichtig mit ihren Freundinnen zu sein.
Was in Chantels Augen einer unverzeihlichen Sünde gleichkam. Sie hatte O'Rourke stets als ungehobelt und flegelhaft bezeichnet, doch nun galt er für sie als ausgemachter Halunke.
»Ich würde meinen«, überlegte Chantel laut, »dass du einen deiner gegenwärtigen Gönner um das Geld bitten könntest. «
Fanny schüttelte den Kopf. »Selbst wenn einer der Herren zu solch einer Freigebigkeit geneigt wäre, was ich bezweifle, wäre ich ihm fortan unangenehm verpflichtet.«
Lily war Fannys Einstellung bekannt. Sie gestattete keinem ihrer Gönner exklusive Privilegien, da sie nicht wollte, dass einer von ihnen Macht über sie besaß. Auf diese Weise mied sie das Risiko, einer ihrer Geliebten könnte das Arrangement abrupt beenden und sie ohne einen Penny dastehen.
Diese Haltung verstand Lily sehr gut.
»Es gibt noch eine andere Möglichkeit, Fanny«, meldete Fleur sich zu Wort, bevor sie in einen Keks biss. »Du könntest deine Memoiren verkaufen.«
»Nein, das ist ausgeschlossen.«
»Welche Memoiren? «, erkundigte Lily sich neugierig.
Fanny winkte ab. »Ich möchte nicht darüber sprechen. «
Fleur beugte sich vor und flüsterte Lily verschwörerisch zu: »Ein Verleger hat Fanny sehr viel Geld geboten,
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