Sanfte Eroberung
falls sie ein paar pikante Geschichten über ihre illustre Klientel schreibt.«
»So verzweifelt sind wir noch nicht«, entgegnete Fanny.
» Ich begreife nicht, warum du es nicht wenigstens in Erwägung ziehst«, sagte Chantel vorwurfsvoll.
»Weil der Verkauf nur einen Teil eurer Schulden abdecken würde. Und selbst wenn ich gewillt wäre, meine früheren Gönner auf derart geschmacklose Weise bloßzustellen - was ich nicht bin -, brauchte es Zeit, meine Memoiren zu schreiben. Mick hat uns jedoch nur einen Monat gegeben und selbst diese Frist räumte er uns erst ein, nachdem ich ihn buchstäblich anflehte. «
»Aber hast du bedacht«, mischte Fleur sich wieder ein, »als wie lukrativ es sich erweisen könnte, solltest du entscheiden, deine Liebhaber nicht bloßzustellen? Es dürfte einige Herren geben, die dir beträchtliche Summen zahlen würden, um nicht in deinen Memoiren zu erscheinen.«
Fanny sah die ältere Kurtisane schockiert an. »Redest du gar von Erpressung, Fleur? Dazu wäre ich niemals bereit! Nicht bloß ist sie höchst unmoralisch, ich würde mir damit auch Feinde in Londons besten Kreisen machen. Sollte ich das tun, dürfte es für mich schwierig werden, künftig meinen Unterhalt zu bestreiten.«
Diesen Einwand quittierte Fleur mit einem eleganten Schulterzucken. »Nun, ich weiß nicht, wie wir zurechtkommen wollen, wenn du unbedingt tugendhaft sein musst. Wer Not leidet, darf nicht wählerisch sein Fanny. «
»Noch muss ich nicht betteln«, entgegnete sie spitz.
»Es ist ein Jammer, dass unsere Mieter uns nicht helfen können! «, klagte Chantel mit einem tiefen Seufzer.
Fleurs verächtlicher Laut kam einem Schnauben sehr nahe. »Fürwahr! Aber sie verdienen einen Kummerlohn verglichen mit dem, was wir einst einnahmen.«
»Weil sie weder unsere Fertigkeiten noch unsere frühere Schönheit besitzen«, argumentierte Chantel.
»Noch unsere Kultiviertheit«, ergänzte Fleur weise.
Chantel nickte traurig.
Was sie mit dem Mangel an Kultiviertheit meinten, wusste Lily. Über ein halbes Dutzend Mieterinnen lebten im Herrenhaus, die ausnahmslos niederer Herkunft waren und teils eben erst begannen, sich einen Namen in der halbseidenen Gesellschaft zu machen - oder Demimondaines zu werden, wie Chantel es nannte, die Bezeichnungen wie »Prostituierte« oder »Freudenmädchen« nicht duldete. Die Mädchen, die hier wohnten, waren größtenteils Operntänzerinnen und Schauspielerinnen, die ihre mageren Einkommen nebenher als Mätressen oder in den Clubs und Freudenhäusern des nahegelegenen Theaterbezirks aufstockten.
Fleur und Chantel hingegen konnten, wie Fanny auch, eine vornehme Herkunft und Bildung vorweisen, die ihnen in ihrem Gewerbe zugutekamen und ihnen eine weit gehobenere Klientel bescherten.
Die beiden älteren Kurtisanen schwiegen eine Weile, ehe Fleur schließlich verkündete: »Was wir brauchen, sind ein paar sehr reiche Herren, die uns retten.«
»Das versteht sich von selbst«, pflichtete Chantel ihr bei. »Aber woher nehmen wir solche Männer? Wir beide besitzen wohl kaum mehr die nötigen Reize, um vermögende Gönner anzulocken.«
»Leider nicht, aber einige unserer Mieterinnen sind hübsch genug, um unsere Plätze einzunehmen. Mit der richtigen Anleitung könnten sie lernen, wie man eine vornehmere Klientel anzieht.«
»Wozu sollten wir sie anleiten? «, fragte Chantel.
»Nun sei doch nicht so begriffsstutzig, meine Liebe!«, schalt Fleur sie. »Wenn einige unserer Mieterinnen reiche Gönner finden, können sie uns helfen unsere Schulden zu bezahlen. «
»Und wie sollten sie reiche Gönner finden? «, wandte Chantel ein. »Sie stehen nicht auf der Straße herum und warten darauf, von jungen Damen eingefangen zu werden, wie du Wissen dürftest.«
»Selbstverständlich nicht, aber es ließen sich welche finden, wenn wir es richtig anstellen. Denk doch nur, Chantel, wir könnten Soirees geben, ganz wie in alten Zeiten! Und wir könnten alle Herren einladen, die Fanny kennt. Sie besitzt wertvolle Beziehungen zu den feinen Kreisen. Wir selbst haben sogar auch noch einige Bekannte.«
Über zwanzig Jahre lang hatten Fleur und Chantel elegante Soirees veranstaltet, zu denen die namhaftesten Künstler und Intellektuellen Londons geladen worden waren.
»Nun, ich vermute, wir könnten eine Soiree geben«, begann Chantel, »nur wäre die Mühe umsonst, denn unsere jungen Damen werden nie die nötige Finesse erlernen.«
Plötzlich setzte Fanny sich auf. »Vielleicht ist es doch
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