Sanfte Eroberung
ihnen ihre anfängliche Unsicherheit und brachte sie sogar zum Lachen. Gegen Ende des Unterrichts himmelten sie ihn ausnahmslos an. Ada Shaws kühne Annäherungsversuche parierte er gekonnt und bedeutete Sally Nead freundlich, dass er nicht gedachte, ihr Flirten zu erwidern.
Mit diesem Charme könnte er eine ganze Ballsaison für sämtliche Mitbewerber zunichtemachen, dachte Lily finster.
Sie konnte allerdings nicht umhin, zu gestehen, dass seine Bemühungen um die schüchterne Peg Wallace geradezu rührend waren. Dank seiner behutsamen Aufmerksamkeit gelang es ihm, ihr die Scheu zu nehmen, und dafür wollte Lily ihm nach dem Unterricht danken.
Sie nahm Heath ein Stück beiseite. »Mir erscheint angemessen«, ergänzte sie widerwillig, »dass Fleur dir dafür einen weiteren Punkt gibt.«
»Bist du sicher, dass du so großzügig sein möchtest?«, fragte er, und seine sinnlichen Lippen bogen sich zu einem Lächeln. »Zusammen mit dem Punkt, den sie mir bereits für die gestrige Fechtstunde anrechneten, ergibt das sieben Punkte für mich. Wenn es so weitergeht, könnte ich unser Spiel gewinnen.«
Nein, Lily war gar nicht wohl dabei. Ganz gewiss wollte sie nicht, dass er das Recht gewann, sein Werben um drei endlose Monate zu verlängern. Andererseits musste sie fair bleiben. An diesem Fall verdienst du die Belohnung.«
»Ich wäre bereit, einige Punkte abzutreten, wenn du mich heute Abend ins Theater in der Drury Lane begleitest.«
Seine Hartnäckigkeit entlockte ihr ein Schmunzeln. Natürlich war die Einladung ins Theater nichts als ein perfider Trick, sie in noch intimerem Rahmen für sich allein zu haben. »Leider muss ich ablehnen. Ich möchte nicht mit dir in der Öffentlichkeit gesehen werden, weißt du nicht mehr? Außerdem hast du die dir für heute zustehende Zeit bereits aufgebraucht.«
Darauf bedachte er sie mit einem Blick, bei dem ihr das Herz stehen blieb. »Ich musste es versuchen. Dann sehe ich dich morgen auf Lady Freemantles Gartenparty? Ich würde dir anbieten, mit mir hinzufahren, doch ich vermute, es wäre zu Viel verlangt, dich um eine Fahrt in meiner Kutsche zu bitten.«
»Danke, ich fahre mit Fanny«, entgegnete Lily, die sehr froh um diese Ausflucht war. Chiswick war gut sechs Meilen von Londons Mayfair-Bezirk entfernt, und unter keinen Umständen wollte sie eine so lange Zeit mit Heath allein sein. In einem Raum voller Menschen neben ihm zu stehen, war schon beunruhigend genug.
Ihre Anspannung stieg, als er ihre Hand an seine Lippen hob und ihr einen leichten Kuss auf die Finger hauchte.
Lily zwang sich, gefasst zu bleiben, wollte sie ihm doch auf keinen Fall die Befriedigung gönnen, zu sehen, welche Macht er über sie hatte. Was nichts an der Tatsache änderte, dass sie noch eine ganze Weile dastand und das warme Kribbeln ihrer Finger spürte, wo seine Lippen sie gestreift hatten.
Als der Samstag kühl und wolkig begann, hoffte Lily beinahe, Winifreds Gartenparty würde wegen Regens abgesagt. Da nach dem Morgenunterricht keine solche Nachricht eingetroffen war, zog sie sich ein modisches Kleid aus blassgrün gemustertem Musselin mit passendem Hut an.
Fanny war noch eleganter gekleidet, wie Lily feststellte, als ihre Kutsche vorfuhr, was sicher dem überheblichen Landadel gezollt war, dem sie auf der Party begegnen würden.
Die Gäste waren jedoch nicht Fannys größte Sorge. Diese galt Mick O'Rourke.
»Ich schrieb ihm einen langen Brief, in dem ich ihm unseren Plan darlegte, wie wir die Schulden zurückzahlen wollen «, erzählte sie Lily, sobald die Kutsche sich in Bewegung gesetzt hatte, »aber er hat bisher nicht geantwortet. Das finde ich höchst beunruhigend. «
»Denkst du er wird sich für das rächen wollen, was ich kürzlich mit ihm gemacht habe?«, fragte Lily besorgt.
»Ich weiß es nicht. Möglicherweise wartet er darauf, dass ich zu ihm komme und ihn auf Knien bitte, uns mehr Zeit zu geben.«
»Was du auf keinen Fall tun darfst!«, erklärte Lily kämpferisch. »Erst recht, da es sich nicht einmal um deine Schulden handelt.«
»Ich weiß. Doch falls er sein Geld sofort will, bleibt mir keine andere Wahl. «
Lily überlegte. »Wenn es dir recht ist, könnte ich heute Nachmittag einmal bei Winifred nachfragen, ob sie unter Umständen bereit wäre, die Summe vorzustrecken.«
»Du könntest die Sache beiläufig erwähnen und ihre Reaktion abwarten«, schlug Fanny vor. »Noch hoffe ich allerdings sehr, dass wir ihre finanzielle Unterstützung nicht brauchen.
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