Sanfte Eroberung
sich vollkommen angemessen und umsichtig verhalten. Sie hatten sich beide in Danvers Hall umgekleidet und waren zu der Gartenparty zurückgekehrt.
Natürlich hatte Winifred neugierig nach Einzelheiten gefragt, als sie Lily unter vier Augen drängte, seiner Lordschaft Werben entgegenzukommen. Allerdings hätte Lily bestenfalls unter Todesandrohung gestanden, wie weit sie bereits gegangen war.
Es war schon schlimm genug, dass Winifred keine Gelegenheit ausließ, sie mit dem Marquess zusammenzubringen. Als Lily vorsichtig anfragte, ob die gütige Witwe notfalls gewillt wäre, bei der Begleichung der Spielschulden zu helfen, hatte Winifred sogar abgelehnt und vorgeschlagen, Lily sollte Lord Claybourne bitten - was sie auf keinen Fall täte.
»Also, My Lord«, kam Fleur zum Schluss, »Ihr momentaner Punktestand ist sieben, folglich müssen Sie sich noch drei verdienen. «
»Vielleicht wird dies meinen Stand verbessern«, wagte Heath einen neuen Vorstoß und nahm ein Paket vom Beistelltisch, das er dort abgelegt hatte.
Er reichte es Lily, die neben ihm auf dem Sofa saß und es ungern entgegennahm. Es war in edles Geschenkpapier gewickelt und mit einer Schleife versehen.
»Ah, ein Geschenk! «, rief Chantel verzückt aus. »Es sieht aus wie ein Buch. Öffne es doch, Lily!«
Lily wand die Schleife auf und wickelte das Papier ab. Es handelte sich um e in ledergebundenes Buch.
»Was ist es? «, wollte Chantel wissen. » Ein Band mit Sonetten? «
»Nein«, antwortete Lily, während sie den Titel las. »Reisebertischte von den Südseeinseln von George Wilkins.«
»Ich dachte, diese seien Ihnen lieber als Sonette«, erläuterte Heath. »Wilkins ist Mitglied der Royal Society und ein Proteg6 von Sir Joseph Banks. Seine Berichte über die Eingeborenenkulturen des Pazifiks sind sehr faszinierend.«
Chantel schien verwirrt. »Weshalb sollte Lily sich für irgendwelche Heiden auf weit entfernten Inseln interessieren?«
Heath und Lily wechselten amüsierte Blicke. »Weil
sie behauptet, im Herzen eine Abenteurerin zu sein.« ie
»Ist das wahr, Lily?«, fragte Chantel unglücklich.
Lily lächelte. In demselben Tonfall hatte ihre Mutter früher die Abenteuerlust ihrer Tochter beklagt. »Ich fürchte ja, Chantel. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, es ist nicht ansteckend. Wie sind Sie zu dem Buch gekommen, My Lord?«
»Wilkins ist ein Bekannter von mir, und ich darf mich glücklich schätzen, Sir Joseph zum Freund zu haben.«
Lily war beeindruckt, wohingegen ihre Freundinnen sie verständnislos ansahen.
»Wer ist Sir Joseph? «, erkundigte Fleur sich.
»Er ist der Präsident der Royal Society, Fleur«, erklärte Lily ihr. Die Royal Society bestand aus namhaften Gelehrten, die sich für die Förderung der Naturwissenschaften einsetzten und in den letzten Jahrzehnten mehrere wissenschaftliche Expeditionen an die entlegensten Winkel der Welt organisiert hatten. »Sir Joseph segelte einmal mit Captain James Cook auf der Endeavour, um den Pazifik und die Küste Australiens zu erforschen.«
»Und solche Dinge interessieren dich? «
»Aber ja! Mich überrascht jedoch, dass Lord Claybourne dieses Interesse mit mir teilt.«
Neben ihr lehnte Heath sich zurück. »Mein Freund Arden ist Mitglied der Society, und ich trat der Gesellschaft auf seine Anregung hin bei. Mein Hauptinteresse gilt den Expeditionen. Drei Forschungsreisen konnte ich bisher bereits mitfinanzieren, einschließlich der jüngsten von Wilkins.«
Lily betrachtete ihn voller Bewunderung und erinnerte sich, dass ihr erster Eindruck von Heath der eines kühnen Abenteurers und Forschers gewesen war. »Ich wusste nicht, dass Sie sich für Forschungsreisen begeistern. «
»Sie wissen vieles nicht über mich.«
Fleur mischte sich wieder ein. »Ich würde sagen, dieses Geschenk ist allemal einen Punkt wert, Lord Claybourne, ist es doch mit Bedacht gewählt und recht einfallsreich. Ein herkömmlicher Verehrer hätte Lily Gedichte gebracht. Ihr Geschenk zeigt, dass Sie mit Lilys wahren Begierden vertraut sind und sie achten. «
»Aber gewiss sind mir ihre wahren Begierden stets präsent«, murmelte Heath so leise, dass nur Lily es hören konnte.
Auf diese provozierende Bemerkung hin bedachte sie ihn mit einem zornigen Blick und entschied, das Thema zu wechseln, zumal sie nicht darüber nachdenken wollte, dass ihm nur noch zwei Punkte zum Sieg fehlten. »Danke für das Buch, My Lord. Ich werde es gern lesen. Würden Sie uns nun bitte erzählen, wie weit Sie
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