Sanfter Mond über Usambara
als sie in Richtung Hafen gingen, zog er an der Leine, als habe er es eilig, diesen Ort zu verlassen. George ignorierte er vollkommen.
» Ein gewaltiger Bursche « , bemerkte der. » Bei dieser Hitze muss es schlimm sein, einen solchen Pelz mit sich herumzutragen. «
Der Hund schien ihn zu faszinieren. Auf der Fahrt mit dem Küstendampfer von Daressalam nach Tanga saß George auf einem Stuhl, den Charlotte für ihn herbeigeschafft hatte– der rasche Gang zum Hafen hatte ihn angestrengt. Zwischen den Gepäckstücken lag Simba, flach an den Boden gepresst, ganz offensichtlich hatte er mit der Seekrankheit zu kämpfen. Immer wieder beugte sich George vor, um dem Hund sacht über den Rücken zu streicheln, doch Simba nahm ihn so wenig wahr wie den Wind, der sein wolliges Fell zauste.
» Hat er vielleicht Durst? «
» Er bekommt zu trinken, wenn wir angekommen sind. Was ich ihm jetzt gebe, kommt sofort wieder heraus. «
» Ach herrje! Das bedeutet wohl, dass wir von nun an keine längeren Seereisen mehr unternehmen dürfen. «
» Im Usambara-Gebirge gibt es wenig Gelegenheit dazu. «
» Das hast du dir schlau ausgedacht, mein Schatz! « , erwiderte er lachend.
Auf der Fahrt mit der Usambara-Bahn schliefen Mann und Hund, George auf dem Sitz neben ihr, Simba zu ihren Füßen. Sorgenvoll überlegte Charlotte, ob Peter Siegel ihr Telegramm wohl erhalten hatte und mit einem Maultierwagen in Mombo zur Stelle war. Jetzt, da sie George einigermaßen genesen wieder an ihrer Seite hatte, machte sie sich auch wieder Gedanken um ihre Pflanzung. Ob sich der neue Verwalter überhaupt bewährte? Vielleicht war er längst davongelaufen, und in Neu-Kronau ging alles drunter und drüber. Ach, sie war so stolz auf ihre Plantage und hätte sie George gern in gutem Zustand präsentiert. Beklommen sah sie aus dem Zugfenster. Man konnte im Vorüberfahren schon die ersten Rodungen an den Berghängen erkennen, hellgrüne, graue und rötliche Rechtecke, die sich in die dunklen Waldungen einschnitten: Kaffeepflanzungen, Sisalfelder, Äcker, auf denen Mais, Gemüse und Kartoffeln gediehen. Dort hinten in den Bergen Ost-Usambaras befanden sich die Anlagen der Versuchsstation Amani, wo man nach den bestgeeigneten Pflanzen für die Plantagen und neuen Möglichkeiten der Düngung forschte, gleich in der Nähe der Prinz-Albrecht-Plantage und den Pflanzungen von Wilkins & Wiese. All diese Anwesen wurden von engagierten Verwaltern oder den Besitzern selbst geleitet, unablässig waren die schwarzen Arbeiter damit beschäftigt, die jungen Pflanzen von Unkraut zu befreien, den Boden aufzuhacken und die letzte Saat in die Böden zu bringen. Nur in Neu-Kronau tat sich vermutlich nicht viel– diese Schlamperei würde sich bald bitter rächen.
» Hund ist müde « , sagte einer der beiden Eingeborenen, die mit angezogenen Beinen ihr gegenüber auf der Bank hockten. » Schöner Hund. Schlaf, schöner Hund. Schlaf… «
Er sprach leise und hielt die ausgebreiteten Hände über den schnarchenden Simba, als wolle er ihn beschwören, ja nicht aufzuwachen. Charlotte hatte sich bei ihnen entschuldigt und ihren Reiseproviant mit ihnen geteilt, zum Glück hatten sich die zwei als freundliche, umgängliche Burschen entpuppt. Beide waren unterwegs nach Mazinde, von dort wollten sie weiter zum Sägewerk von Wilkins & Wiese, um beim Bau einer Drahtseilbahn mitzuhelfen.
» Trägt Holz an Drahtfaden in der Luft. Dicker Stamm festbinden an Draht– macht ssssss… fliegt wie Wind über Berge und ist schon unten in Sägewerk. Großer Zauber– Deutsche sind große Magier… «
Vierzig Heller bekamen sie pro Tag ausgezahlt– das war nicht wenig, kein Wunder, dass Charlotte um ihre Plantagenarbeiter kämpfen musste. Sie zahlte ihnen nur fünfunddreißig, aber dafür erhielten sie bei ihr ein festes Haus und ein Stück Land, dazu die wichtigsten Grundnahrungsmittel zu billigen Preisen. Ihre Eingeborenen konnten durchaus zufrieden sein.
George erwachte bei jeder Station, räusperte sich und setzte sich neu zurecht. Bevor er wieder einschlief, warf er einen raschen Blick auf Simba zu seinen Füßen, dann lächelte er Charlotte an, als wolle er sich entschuldigen, ein so schlechter Gesellschafter zu sein.
» Ruh dich nur aus– wir haben noch eine halbe Tagesreise vor uns « , sagte sie zärtlich.
Wenn er sich im Schlaf gegen sie lehnte, schien er ihr hilflos wie ein Kind, das sich ganz und gar ihrer Fürsorge auslieferte. Sie wollte für ihn sorgen, immer für ihn da
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