Sanfter Mond über Usambara
angeblich für die besten Momentaufnahmen sorgte. Später photographierte sie zwei indische Händler vor ihren aufgetürmten Früchten, eine Gruppe schwarzer Kinder, die zwischen den Häusern mit Murmeln und Stöckchen spielten, und schließlich konnte sie es nicht lassen, eine Rikscha aufs Bild zu bannen, in der sich ein katholischer Missionar von einem jungen Afrikaner über den Markt fahren ließ.
Die restlichen beiden Platten verbrauchte sie am Hafen– einem ihrer Lieblingsorte, wenn sie auf Motivsuche war–, auch wenn weder die Gerüche noch der Lärm und schon gar nicht die blaugrün schillernde Farbe des Wassers festzuhalten waren. Doch sie liebte das Gewimmel, wenn ein großer Reichspostdampfer oder ein anderes Schiff vor Anker ging und die Einheimischen hastig ihre Ruderboote in die Wellen schoben, um Gepäck und Reisende an Land zu bringen. Die malerischen Palmen und die Missionsgebäude am Immanuelskap waren leider eine Enttäuschung gewesen, wie in so vielen Fällen verschwand der exotische Zauber dieses Ortes auf den schwarz-weiß-grauen Photographien. Auch die Aufnahmen der Stadt, vom Hafen aus gesehen, wirkten reichlich nüchtern– Häuser, Buschwerk, die Türme der evangelischen und der katholischen Kirche und die schmalen Minarette, im Vordergrund das weiße Zollgebäude–, Bilder, die nichts von der Faszination wiedergaben, die diese Stadt auf sie ausübte.
Als mit dumpfem Knall die Mittagskanone ertönte, hatte sie alle Platten verbraucht und machte sich auf den Rückweg. Er führte in östlicher Richtung am Strand entlang, dann musste sie an einer günstigen Stelle die Abbruchkante hinaufklettern und stand nach wenigen Schritten vor dem eingezäunten Anwesen, das sie und George vor einigen Monaten gemietet hatten.
Das Haus war im arabischen Baustil errichtet. Schmucklos nach außen, entfaltete es seine Schönheit erst, wenn man durch das Tor in der Mauer ging und den Innenhof betrat. Hier war ein Garten um ein quadratisches Wasserbecken angelegt, Orangen- und Zitronenbäumchen blühten in Kübeln, ein Maulbeerbaum beschattete die Beete, in denen feuerrote Stauden und weiße Iris wuchsen. Der Eingang zu den Wohnräumen wurde von einem säulengestützten Vordach beschirmt, daran rankte sich eine Pflanze mit hellgrünen, zart gefiederten Blättern empor, die immer wieder zurückgeschnitten werden musste. Sie trug süß duftende weiße Blüten, die zu roten Beeren wurden. Schön waren auch die geschnitzten Fensterumrandungen des Gebäudes, in deren verschlungenen Mustern sich die Pflanzen des Gartens wiederfanden und die Charlotte an die Geschichten von Tausendundeine Nacht erinnerten. Manchmal kamen ihr die Kulissen in den Sinn, die die Schausteller damals in Leer auf dem Gallimarkt aufgebaut hatten und die ihr seinerzeit so wundervoll orientalisch erschienen waren. Heute wusste sie, wie scheußlich diese überladenen, schreiend bunt bemalten Holzwände gewesen waren.
Im Innenhof lief ihr Jim, der boy, mit wehendem Gewand entgegen, das runde, kindliche Gesicht voller Zerknirschung.
» Bibi darf mich nicht schelten, bitte. Jim wollte bibi begleiten, wie bwana Johanssen gestern noch gesagt hat. Aber Jim war in der Küche, um Teller zu waschen, und hat nicht gesehen, wie bibi fortging… «
Sie schmunzelte und erklärte dem aufgeregten Schwarzen, dass sie mit voller Absicht allein fortgegangen sei, sie brauche keinen boy, wenn sie photographiere. Er beruhigte sich ein wenig, bat sie aber, bwana Johanssen zu erklären, dass er nicht aus Faulheit zu Hause geblieben sei.
George war seit ihrem Unfall überbesorgt und ließ sie ungern allein durch die Stadt streifen, zumal sie Simba heute befohlen hatte, zu Hause zu bleiben. Der Hund hatte gehorcht, allerdings sehr unwillig und nur, weil er in Georges Nähe sein konnte. Außer Charlotte war George inzwischen der einzige Mensch, zu dem der Hund Vertrauen gefasst hatte. George, der sich schon von Anfang an um Simba bemüht hatte, hatte ihn wahrhaft ins Herz geschlossen und seufzte mitunter zutiefst bekümmert, dass er immer nur die Nummer zwei in Simbas Hundeleben spielen würde, auch wenn er dabei schelmisch mit den Augen zwinkerte.
» Er wäre für dich in den Tod gegangen, Charlotte « , hatte er wiederholt zu ihr gesagt. » Wären wir nicht in der Nähe gewesen und hätten sein Bellen gehört– wer weiß, ob er eine Chance gegen den Leoparden gehabt hätte. Der Schuss hat die Raubkatze vertrieben… «
Jetzt fand sie ihren Mann im
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