Sanfter Mond über Usambara
Als sie nicht reagierte, legte er den breiten Kopf wieder auf die Pfoten und schnaufte bekümmert. Nein, Simba würde nicht zurück zur Plantage laufen, um Hilfe zu holen, er würde hier bei ihr bleiben und sie bewachen. Jetzt war sie froh darüber.
Der Mond war rund und der Sternenhimmel so hell, dass sie die Umgebung gut erkennen konnte. Wenn nur dieser lästige Drehschwindel nicht wäre! Vielleicht könnte sie sich bis zum Fahrweg schleppen, auch wenn ihr Fuß Probleme machte und sie bezweifelte, ob sie es den steilen Abhang hinauf bis zu dem Pfad schaffte. Ich muss Geduld haben, warten, bis sich mein Kopf wieder beruhigt, dachte sie, doch das kann ein paar Stunden dauern. Ich werde einfach hier liegen bleiben und mich ausruhen. Bis zum Morgengrauen Kräfte sammeln. Sie hob den Kopf, um den Pfad auszumachen, der sich ein ziemliches Stück über ihr befand. Prompt setzte der Drehschwindel wieder ein, stärker noch als vorher, doch das lag vielleicht auch daran, dass ihr der Hang ungeheuer steil und glatt vorkam. Selbst wenn sie auf allen vieren kroch, würde es nicht einfach werden.
Hilflos blieb sie liegen, wo sie war, wenngleich sie sich bemühte, zumindest eine bequemere Lage einzunehmen. Jetzt machte sich der Schmerz bemerkbar, peinigte sie überall, ihre Haut brannte wie Feuer. Ihre Hüfte tat weh, genau wie das Fußgelenk und der linke Arm, die Beule an ihrem Kopf pochte beharrlich. Um sich abzulenken, dachte sie daran, dass man spätestens gegen sechs Uhr, wenn das gemeinsame Abendbrot eingenommen wurde, auf die Suche nach ihr gegangen war. Klara hatte sich ganz sicher bei den Angestellten nach ihr erkundigt, und George würde mit einigen Schwarzen den Fahrweg entlanggeritten sein, ausgerüstet mit Laternen und Fackeln. Hatten sie ihre Spuren entdeckt, die ins Wiesental führten?
Simba knurrte warnend, und er sträubte drohend das Nackenfell. Charlotte erfasste eisige Furcht. Etwas war in der Nähe, eine lautlose Gefahr, die der Hund über seine feinen Sinne wahrnahm. Ein Leopard konnte mühelos über den umgestürzten Baumstamm laufen, und seine Krallen leisteten ihm selbst auf dem Fels hervorragende Dienste.
Der Hund erhob sich, sein Knurren wurde tiefer. Charlotte sah Simbas Augen glitzern, er hatte die Lefzen hochgezogen, so dass seine weißen Zähne sichtbar wurden. War da etwa ein leises Knacken zu hören, als wäre ein Zweig abgebrochen? Bewegte sich etwas über den Stamm auf sie zu? Charlotte zog scharf die Luft ein, und jetzt roch sie es auch– den stechenden Geruch einer großen Raubkatze.
Der Hund sprang mit einem drohenden Knurren über sie hinweg, die Laute, die aus seinem Brustkorb drangen, dunkel und wild, hatten nichts mehr mit dem Wesen zu tun, das ihr so vertraut war. Zitternd kauerte sie sich zusammen. Schmerz spürte sie keinen mehr, auch der Schwindel war verschwunden, ihre Gedanken waren einzig und allein beherrscht von der Angst, sie oder der Hund könnte von dem Raubtier getötet werden. Voller Panik versuchte sie, Simbas Hinterläufe zu fassen, um ihn zurückzuhalten, als sie plötzlich ein Geräusch vernahm, das einem Schuss ähnelte. Hatte sie sich getäuscht? Simba bellte jetzt, sein Gegner schien zurückzuweichen, und der Hund machte nun tatsächlich Anstalten, ihn zu verfolgen. » Simba! Nein! Bleib hier! « , rief Charlotte mit letzter Kraft.
Ein zweiter Knall mischte sich in das geifernde Bellen des Hundes, und dieses Mal war sie sicher, einen Gewehrschuss gehört zu haben. Simba wollte sich nicht beruhigen, im Gegenteil: Der Knall schien seine Wut noch zu steigern.
» Simba! « , klang da eine Stimme aus der Ferne. » Charlotte! «
Oben auf dem Pfad tauchten Lichter auf.
» Wir sind hier unten! « , rief sie ungläubig. » Passt auf, es hat einen Felssturz gegeben… «
Mehr brachte sie nicht heraus. Ein Schüttelfrost erfasste sie mit solcher Heftigkeit, dass ihre Zähne laut klappernd aufeinanderschlugen.
Jonas Sabuni kletterte zu ihr hinunter und wäre um ein Haar von dem aufgeregten Hund angegriffen worden. Er war mit einem Seil um die Hüfte gesichert, und Charlotte klammerte sich an seinen Rücken, während er den Hang wieder hinaufstieg. Oben angekommen, verließen sie auch ihre letzten Kräfte, und sie sackte ohnmächtig von Jonas Sabunis Rücken in Georges ausgebreitete Arme. Wie sie in ihr Bett gelangte, wusste sie später nicht mehr. Sie erinnerte sich nur daran, dass George sie schweigend untersuchte, Wunden verband und ihr Wasser und ein Mittel gegen
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