Sanfter Mond über Usambara
Morgenmantel bequem in einem Sessel sitzend, einen Stapel Post auf dem Schoß. Grinsend betrachtete er ihre staubige Kleidung, die Kamera, die an einem Riemen um ihren Hals hing, ihre triumphierende Miene.
» Wieder mal allein auf der Jagd gewesen? Was hast du dieses Mal erlegt? «
Sie musste sich des Hundes erwehren, der schwanzwedelnd auf sie zulief und seinen Kopf an ihrer Hüfte rieb.
» Zwei indische Händler, einen alten Mann mit Säugling, zwei Askari und eine afrikanische Fladenverkäuferin « , vermeldete sie, während sie Simbas Ohren kraulte. » Dazu einige Palmen vor dem blauen Meer und den Reichspostdampfer Kaiser. «
George betrachtete sie mit grauen, durchdringenden Augen, forschend, und zugleich voller Zärtlichkeit.
» Gute Ausbeute « , witzelte er und legte den Stapel Briefe und Zeitungen beiseite. » Wobei ich jedoch fürchte, dass das blaue Meer dich wieder einmal enttäuschen wird. «
» Aber die Silhouetten der Palmen sind grandios! «
Er lachte und erhob sich, nahm ihr die Contessa Nr. 1 ab und trug sie hinüber in die Dunkelkammer, um die Platten herauszunehmen. Wenn sie sich beeilten, konnten sie noch ein oder zwei Bilder entwickeln, bevor er zur Arbeit in die Klinik ging.
Das Photographieren war eine Leidenschaft, die sie noch enger miteinander verband. Sie waren schon im April in dieses Haus eingezogen, hatten ihre Möbel aus Tanga bringen lassen, einiges dazugekauft und sich wohnlich eingerichtet. Elisabeth besuchte eine Regierungsschule für weiße Kinder, George arbeitete wieder in der Klinik für Einheimische, und Charlotte verbrachte ihre Zeit mit vollkommen neuen Beschäftigungen, zu denen George sie anregte. Es war nicht nur das Photographieren– er hatte sie auch ermutigt, kleinere Artikel zu schreiben, lobte sie beständig und sorgte dafür, dass einige dieser Berichte veröffentlicht wurden. An den Abenden spielten sie vierhändig Klavier, und obgleich Charlotte die bessere Spielerin war, wartete George mit ungewöhnlichen Interpretationen auf, die Charlotte teils zögernd, teils begeistert übernahm.
Nie zuvor waren sie sich so nahe gewesen wie in diesen glücklichen Tagen. Sie redeten sich die Köpfe heiß über Bilder und Texte, stritten lachend um einen Punkt oder ein Komma, gaben schließlich beide nach und behaupteten sich doch voreinander. Die Liebe, die so lange Zeit nur eine unausgesprochene Sehnsucht zwischen ihnen gewesen war, begann sich nun endlich auch in ihrem Zusammenleben zu entfalten, und oft erschien es Charlotte, als lerne sie ihren Mann erst jetzt wirklich kennen. Es war ein aufregendes Kennenlernen, ein Abenteuer, das sie mit viel Furcht und Hoffnung begonnen hatte und das ihr nun täglich beglückende Erkenntnisse schenkte. Nein, sie hatte sich all die Jahre über nicht getäuscht– George war der Mensch, der für sie bestimmt war. Er konnte sie täglich mit neuen Ideen und Gesprächen faszinieren, er gab ihr Wärme und Halt, und er war Elisabeth ein liebevoller Vater. Auch die Nächte mit ihm waren beglückend, und sie öffnete sich seinen Zärtlichkeiten voller Neugier und Hingabe. Ihr Glück wurde nur von einem einzigen Wermutstropfen getrübt: Sie wurde nicht schwanger. Möglicherweise hing es mit der Fehlgeburt zusammen, aber das wollte sie nicht glauben. Sie hatte auch früher nicht leicht empfangen, was einerseits ein Segen war, andererseits aber auch ein Fluch. Ein Kind von George gesund auf die Welt zu bringen war ihr sehnlichster Wunsch. Sie war jetzt achtunddreißig Jahre alt– viel Zeit blieb ihr nicht mehr.
» Das Bild in der Gasse! « , rief sie in Richtung Dunkelkammer, in der George schon verschwunden war. » Und dann die Photographie mit den Askari, ich will wissen, ob ich sie wieder mal verwackelt habe. «
» Ganz wie die Dame es wünscht! «
Leider hatte sie den Moment verpasst, mit ihm gemeinsam in die Kammer zu schlüpfen, jetzt würde sie warten müssen, weil die Tür während des Entwickelns auf keinen Fall geöffnet werden durfte. Mit einem kleinen Seufzer ließ sie sich auf einem Sessel nieder und griff nach einem Stapel Manuskriptblättern, die sich jedoch nicht als neue Produktion, sondern als Georges Reinschrift eines bereits korrigierten Textes erwiesen. Es waren Beobachtungen, die er während der Expedition mit dem Herzog von Mecklenburg notiert hatte und die vor allem die Vorgänge im Kongo betrafen, welche so unfassbar grausam waren, dass es Charlotte beim Lesen schauderte. Auch die Deutschen hatten die
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