Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
Vom Netzwerk:
keine Hilfe mehr zu geben schien. Draußen staksten jetzt schon die ersten braunen Ziegen durch die Pfützen und streckten die Hälse zum Küchenfenster hinein, wo sie auf Gemüseschalen und Obstreste hofften.
    » Ich glaube fest daran, dass ich dieses Werk vollenden muss, Charlotte. Was gestern geschah, war ein Beweis der göttlichen Gnade, für die wir dem Herrn Dank schulden. Wie könnte man diesen Dank besser ausdrücken als mit einem Bauwerk, das in der afrikanischen Wildnis ein Zeichen für Jesus Christus setzt. Eine Kapelle… «
    » Der Briefträger! « , rief Charlotte dazwischen. » Du meine Güte, wie nass der arme Bursche ist. Schammi! Sag in der Küche Bescheid und leg trockene Sachen zurecht. «
    Stirnrunzelnd blickte Peter Siegel zum Fenster hinaus, trank resigniert einen Schluck Kaffee und hob sich seine Rede für die nächste Gelegenheit auf.
    Der uniformierte schwarze Postangestellte war von seinem Maultier abgestiegen, um das Eingangsgatter der Plantage aufzuschieben, jetzt führte er es geduldig über den regenüberfluteten Weg zum Wohnhaus hinüber. Ein zweites Maultier, mit dem anderen durch ein Seil verbunden, zockelte hinterher, es trug den wasserdichten Postsack mit dem Aufdruck der Kaiserlichen Deutschen Post. Obgleich Maultiere, Postsack und Uniform des Briefträgers vor Feuchtigkeit dampften, grinste der Schwarze über das ganze Gesicht, als er vor dem Wohnhaus aus dem Sattel stieg. Er war sehr stolz auf seine Stellung und erzählte jedes Mal, wenn er nach Neu-Kronau kam, dass er schon sieben Jahre für die Deutschen arbeite und dafür zwei bunte Schulterstreifen an seiner Uniform erhalten habe– eine große Ehre. Mit jedem Streifen steige sein Lohn, in zwei Jahren könne er eine größere Hütte bauen und sich eine zweite Frau nehmen. Danach vielleicht noch eine dritte– aber nur, wenn die Frauen sich untereinander vertrügen, denn nichts sei schlimmer für einen Mann als streitende, keifende Weiber. Klara hatte ihm erklärt, ein Christ habe nur eine einzige Ehefrau, doch der Briefträger war Moslem und hatte das Lesen auf einer muslimischen Schule in Tanga gelernt.
    Er ließ es sich nicht nehmen, der Plantagenherrin die Post höchstpersönlich auszuhändigen, und plauderte ein Weilchen mit ihr über die Nachbarn, die neue Poststation in Wilhelmsthal und den Gasthof dort, in dem wieder einmal zwei Weiße abgestiegen seien, die hier in den Usambara-Bergen mit kleinen Hämmerchen nach wertvollen Steinen und nach Gold suchen wollten. Danach begab er sich in die Küche, wo er von den Hausangestellten verköstigt wurde. Die trockenen Kleider lehnte er ab– es ging nicht, dass er ohne seine Uniform Dienst tat, lieber lief er in den nassen Sachen herum.
    Peter Siegel hatte schon einmal die Briefe durchgesehen und enttäuscht festgestellt, dass sie alle an Charlotte gerichtet waren, also schob er ihr den Stapel hinüber, um sich den drei Zeitungen zuzuwenden. Sie hatte den gut gefüllten Umschlag aus Daressalam längst entdeckt und riss ihn erwartungsvoll auf. Er stammte von George.
    Ein kleinerer, verschlossener Umschlag kam zum Vorschein, dazu ein Bündel Manuskripte, die Georges enge gleichmäßige Schrift trugen. Und nicht zuletzt ein Brief.
    Meine Geliebte,
    wenn ich abends an meinem Schreibtisch sitze, erinnere ich mich oft an längst vergangene Zeiten in Kairo, als ein junger Arzt seine ersten, ungeschickten Sätze niederschrieb, um sie an ein kleines Mädchen nach Ostfriesland zu schicken. Ach, ich weiß– Du warst damals längst kein kleines Mädchen mehr, sondern eine respektable Ehefrau, aber in meiner Erinnerung warst Du noch das schmale Kind mit den goldblitzenden Augen, dem ich am Plytenberg allerlei verrückte Dinge erzählt hatte. Und wie eine begeisterte Fünfzehnjährige hast Du auf meine albernen Briefe geantwortet, ohne zu ahnen, wie sehr Du mir damit ans Herz gewachsen bist.
    Lach mich nicht aus, mein Schatz– ich verbringe die Abende keineswegs nur damit, von alten Zeiten zu träumen. Wie Du siehst, habe ich bereits fleißig geschrieben, außerdem hält mich Elisabeth in Atem, die ihr Interesse für die Medizin entdeckt hat. Ich habe ihr einige Bücher gekauft, die sie zwar ohne System, aber mit großer Neugier durchforstet, um den armen George anschließend mit Fragen zu löchern. Sie hat eine gute Auffassungsgabe, ein vorzügliches Gedächtnis und ungeheuer viel Phantasie– eine anstrengende Mischung. Nun will sie mich in die Klinik begleiten, was ich natürlich

Weitere Kostenlose Bücher