Sanfter Mond über Usambara
dafür sorgten. An diesem Morgen allerdings brauchte niemand auf der Plantage einen Wecker– ein kräftiges Gewitter ging über dem Gebirge nieder, das den ohnehin noch feuchten Hof erneut in eine Seenlandschaft verwandelte. Charlotte schickte Johannes Kigobo und den alten Kerefu trotz des Regens hinaus, um die verstopften Rinnen neu auszugraben, sonst hätte die Sintflut die Schwelle des Wohnhauses überstiegen, anstatt über die Wiesen in den Teich abzulaufen.
Sie dachte an ihre Kaffeeblüten, die sich jetzt hoffentlich öffneten, und beschloss, hinüber zu den Pflanzungen zu reiten, sobald der Regen nachgelassen hatte. Sie würde den Duft schon aus der Ferne wahrnehmen können, süß und lieblich wie Jasmin rochen die weißen Blüten, und wenn sie alle aufgeblüht waren, bedeckten sie die oberen Zweige der kleinen Bäumchen wie watteweicher Schnee.
Klara und Peter ließen sich heute Zeit mit dem Aufstehen, also begann Charlotte allein zu frühstücken, blätterte in einer alten Zeitschrift und hing trüben Gedanken nach. Wie sie schon befürchtet hatte, war ein guter Verwalter auf die Schnelle schwer zu finden. Die beiden Männer, die sich in der vergangenen Woche auf ihre Anzeige hin gemeldet hatten, waren ihr nicht gerade vertrauenerweckend erschienen, und nun, da ständig Gewitterregen herunterkamen, würde der Zustrom an Bewerbern auch nicht größer werden. Vielleicht hatte George recht– sie erwartete zu viel, hatte feste Vorstellungen davon, wie diese Plantage zu leiten war, und hätte es am liebsten selbst getan. Seufzend lehnte sie sich im Stuhl zurück und schob Simbas Kopf von ihrem Schoß– seit George nicht mehr da war, hatte der Hund angefangen, bei Tisch zu betteln.
Es ist jetzt gleich, dachte sie. Den Nächsten, der einigermaßen geeignet ist und sich mit Klara und Peter versteht, werde ich einstellen.
Langsam ärgerte sie sich darüber, dass Klara und Peter sie so lange warten ließen. Gewiss, Peter hatte gestern ein schreckliches Erlebnis gehabt, aber er war am Abend recht munter gewesen, und es war absolut unnötig, dass er heute den halben Tag verschlief. Schon wollte sie Schammi hinaufschicken, um nachzufragen, ob jemand krank sei, da begriff sie, wie lächerlich sie sich benahm. War sie auf die Zweisamkeit der beiden eifersüchtig, weil sie selbst sich so allein fühlte? Weil George ihr so sehr fehlte?
» Schau, ob bwana Brooks schon wach ist « , befahl sie S chammi stattdessen.
Schammi blinzelte sie vorwurfsvoll an.
» Bwana Brooks ist schon lange wach, bibi Charlotte. Ist wie Geist im Dunklen über den Hof geschlichen, hat nicht Angst vor Blitz und Donner. Ist in den Stall geschlüpft. Hat Kiste geholt und hinüber in Gästezimmer getragen… «
Das hätte sie sich ja denken können. Sie schnaubte ärgerlich und sah prüfend in Schammis bedrückte Miene.
» Du hast ihm nicht zufällig dabei geholfen? «
Ihr Schützling riss voller Empörung die Augen auf und versicherte ihr, die Blechkiste nicht einmal berührt zu haben. Sie sei schon im Gästezimmer gewesen, als bwana Jeremy ihn zu sich rief und nach frischem Wasser, Seife und einem Handtuch verlangte.
Er hatte sich also gewaschen und angezogen. Immerhin. Dafür hatte er sich vermutlich die Zähne mit Whisky geputzt, und das reichlich. Sie würde ihn warten lassen, schlimme Verletzungen hatte er ohnehin nicht, nur ein paar Hautabschürfungen, soweit sie gesehen hatte. Im Grunde wäre ihr Besuch überflüssig– doch sie hatte große Lust, ihm die Leviten zu lesen, weil er versucht hatte, Schammi zum Schnapstrinken zu verführen.
Nun endlich drangen Geräusche aus dem oberen Stockwerk. Der kleine Samuel weinte– vermutlich zog Klara ihm das Hemd an. Peter Siegel rief energisch nach Martha Mukea, dann hörte man seine Schritte auf der Stiege.
Er wünschte Charlotte einen gesegneten Morgen und rieb sich fröstelnd die Hände, bevor er sich zu ihr an den Tisch setzte. Ein zaghafter Sonnenstrahl ließ die Pfützen im Hof aufblitzen– das Morgengewitter hatte sich verzogen.
» Es tut mir leid, dass wir zu spät zum Frühstück kommen « , entschuldigte er sich und goss sich Kaffee ein.
» Keine Ursache, Peter. Sag mir lieber, wie es dir geht. «
Es ging ihm ausgezeichnet, er war sogar zum Plaudern aufgelegt. Lächelnd hielt er die Kaffeetasse mit beiden Händen fest und sah versonnen in den sonnenglitzernden Hof, während er von Gottes unendlicher Güte redete, die den Menschen gerade dann vor dem Tode bewahrte, wenn es
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