Sanfter Mond über Usambara
dass sie eher Viehverschlägen glichen. Simba wurde von dem Wirt, einem flachshaarigen Buren, zuerst energisch zurückgewiesen, als Charlotte sich jedoch bereiterklärte, für den Hund zu bezahlen, zeigte er sich nachgiebig.
» Aber nehmen Sie das Vieh in der Nacht mit in Ihr Zimmer, sonst beißt er noch einen unserer anderen Gäste « , legte er ihr nicht eben freundlich nahe.
Als sie später mit Simba an der Leine in die lärmende Gaststube trat und sich an einem freien Tisch niederließ, starrte die Wirtin sie mit entsetzten Augen an, wagte jedoch nichts zu sagen. Charlotte bestellte eine Mahlzeit für sich, sorgte dafür, dass auch ihre Begleiter draußen verköstigt wurden, und bat um Essensreste und eine Schüssel Wasser für ihren Hund. An den übrigen Tischen saßen hauptsächlich Männer weißer Hautfarbe, deutsche Beamte aus Verwaltung und Post, Sisalpflanzer aus der Umgebung sowie eine Handvoll Geschäftsleute, die auf der Durchreise zu dem hundert Kilometer weiter westlich gelegenen Ort Kilosa waren, wo man vor wenigen Wochen einen Bahnhof eröffnet hatte. Nur an einem der größeren Tische entdeckte Charlotte zwischen den männlichen Gästen zwei junge weiße Frauen. Nach Kleidung und Verhalten zu urteilen waren sie ganz sicher keine Ehefrauen, es war ziemlich klar, welche Absichten sie verfolgten. Charlotte musste an Sarah William denken, die stets auffällig zurechtgemachte » Dame « mit ihren unzähligen Kleidern und Hüten, die damals mit ihnen auf dem Reichspostdampfer nach Deutsch-Ostafrika gereist war und von der sie seit Jahren nichts mehr gehört hatte. Auch Sarah hatte sich ihren Lebensunterhalt auf diese verwerfliche Weise verdient, sich der Sünde anheimgegeben, und doch hatte sie auch ihre guten Seiten gehabt und war ihr und Klara während der so schwierigen Anfangszeit in Daressalam eine treue Freundin gewesen.
Charlotte spürte, wie man sie beobachtete; die Männer tauschten Bemerkungen aus und stellten der Wirtin halblaute Fragen, die diese mit Blick auf ihren weiblichen Gast beantwortete.
Charlotte tat, als ginge sie das alles nichts an. Ja, sie war allein, eine Frau ohne männliche Begleitung, ihre beiden schwarzen Angestellten hatten in der Gaststube nichts zu suchen und zählten für die Europäer ohnehin nicht.
Schließlich erhob sich einer der Männer, ein stämmiger Kerl mit blondem Vollbart und heller, von der Sonne geröteter Haut. Er blieb an seinem Platz stehen, stützte die Hände auf den Tisch auf und machte eine höfliche Verneigung in ihre Richtung.
» Gestatten Sie, gnädige Frau, dass ich mich vorstelle: Johann Gudensen. Ich besitze eine Sisalplantage zwanzig Kilometer südlich von hier. Ich heiße Sie im Namen meiner Freunde herzlich willkommen. «
Es war jetzt still geworden, nur am Stammtisch, der sich dicht neben dem Tresen befand, wurde noch geredet. Die übrigen Männer und auch die beiden Frauen starrten neugierig zu Charlotte hinüber.
» Sehr freundlich von Ihnen, Herr Gudensen. Vielen Dank. «
Sie lächelte unverbindlich und gab gleichzeitig Simba, der zu knurren begonnen hatte, einen leichten Stoß mit dem Knie. » Sie haben da einen gefährlichen Leibwächter « , stellte ein schwarzbärtiger Mann mit Adlernase fest. » Was ist denn das für eine Rasse? Geht der auch auf Neger? «
» Er ist mir zugelaufen. «
» So einen könnte ich gut gebrauchen. Josef Gebauer mein Name. Ich führe ein Geschäft hier. Mache den verfluchten Indern Konkurrenz. Bei mir gibt’s alles zu kaufen, vom Kochtopf bis zum fliegenden Teppich. Hahaha… «
» Würden Sie uns die Ehre erweisen und sich zu uns an den Tisch setzen, junge Frau? « , fragte ein anderer, der sich als Horst Knappert vorstellte und ihrer Einschätzung nach irgendeinen niederen Beamtenposten bekleidete. Die höheren Ränge pflegten unter sich zu bleiben, man sah sie nur selten in einem öffentlichen Gasthaus.
Charlotte zögerte. Es war höchst unschicklich, ein solches Angebot anzunehmen, es war schon verwerflich, dass man einer ehrbaren Frau diesen Vorschlag überhaupt machte. Auf der anderen Seite erschienen ihr diese Männer weder betrunken noch gewalttätig, höchstens gelangweilt. Vermutlich passierte nicht allzu viel hier in der Gegend. Es konnte nicht schaden, ihnen ein paar Fragen zu stellen.
» Nun– es ist zwar nicht meine Art, mich so einfach in einen fremden Kreis hineinzudrängen… «
» Sie machen uns eine große Freude! «
Man holte einen Stuhl für sie herbei und rückte
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