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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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sein blondes Haar herausragte. Wenn er dagegen tatsächlich irgendwo im Busch sein Leben ließe, dann würde nichts von ihm bleiben– die afrikanische Erde nahm all ihre Kinder wieder in ihren Schoß auf, um den ewigen Kreislauf des Lebens und Sterbens zu schließen.
    Es war gegen vier Uhr morgens, als sie die Lampe anschaltete und auf die kleine Pendeluhr neben ihrem Bett sah. Noch zwei Stunden bis Sonnenaufgang. Was hatte Dr. Kalil zu ihr gesagt? Sie solle nach Hause gehen und abwarten.
    O nein– die Zeit des Wartens war zu Ende. Mit allem, was ihr zu Gebote stand, würde sie um Georges Leben kämpfen.
    » Johannes Kigobo viel müde « , sagte Jonas Sabuni grinsend. » Schläft wie toto auf Rücken von mama. «
    Charlotte lächelte zerstreut und band das Tuch fester um ihren Hut. Der einzige Personenwagen des Zuges war vollbesetzt, niemand störte sich daran, dass alle Fenster offen standen und der Wind immer wieder durch das Wageninnere fuhr. Trotzdem war Johannes Kigobo in tiefen Schlaf gefallen, kaum dass sie den Bahnhof der Zentralbahn am Hafen von Daressalam verlassen hatten.
    Vier Tage waren vergangen, seitdem Charlotte in der Sewa-Hadschi-Klinik von Georges Verschwinden erfahren hatte. Sie hatte keine weitere Nachricht erhalten, was wohl bedeutete, dass ihr Mann kein Lebenszeichen von sich gegeben hatte und auch die Suchaktion der Askari bislang ohne Erfolg geblieben war.
    Gleich nach der ersten durchwachten Nacht hatte Charlotte Peter und Klara nach Neu-Kronau telegraphiert:
    Reise nach Morogoro. Schickt Johannes Kigobo und Jonas Sabuni nach Daressalam.
    Sie wusste, dass sie das Schicksal selbst in die Hand nehmen musste; einfach nur zu warten, wie Dr. Kalil ihr in der Klinik geraten hatte, brachte ihr George nicht zurück. Sie würde sich selbst auf die Suche nach ihrem Mann machen, und dazu brauchte sie zumindest zwei zuverlässige Begleiter.
    Die beiden Schwarzen, für die sie sich entschieden hatte, waren ausdauernde, kräftige Männer; beide waren sie in der Wildnis des Usambara-Gebirges aufgewachsen, konnten Fährten lesen und würden sich auch im Uluguru-Gebirge zurechtfinden.
    Johannes Kigobo und Jonas Sabuni waren schon am übernächsten Tag in Tanga angekommen, wo Charlotte sie am Bahnhof erwartete, von dort aus ging es mit dem Küstendampfer weiter nach Daressalam. Es war die größte Reise, die die beiden Waschamba je unternommen hatten, und Charlotte wurde bald klar, dass sie sie damit vollkommen überforderte. Zwar kannten sie die Usambara-Bahn und waren auch schon ein, zwei Stationen damit gefahren, doch niemals bis zur Küste. Tanga, die weiße Stadt an der smaragdgrünen Lagune, war den ahnungslosen Schwarzen wie ein Paradies erschienen. Beim Anblick des Meeres hatten sie Augen und Münder aufgesperrt, und Charlotte musste all ihre Überredungskünste aufwenden, um die beiden an Bord des Küstendampfers zu verfrachten, den sie für ein Höllenwerk des sheitani hielten. Jonas Sabuni wurde dann auch auf der Stelle seekrank. Er hockte zusammengekauert auf den Schiffsplanken oder lehnte wie ein Häuflein Elend über der Reling und würgte die gerade gegessenen Teigfladen wieder hoch. Dabei murmelte er flehentlich, der Herr Jesus Christus möge ihn vor diesem keuchenden, stampfenden Untier bewahren und zu sich in den Himmel nehmen. Er tat Charlotte aufrichtig leid, und sie bereute fast, die treuen Waschamba ihrem gewohnten Leben entrissen zu haben.
    Zurück in Daressalam erklärte sie ihrer Tochter, sie müsse George aus Morogoro abholen, und brachte das Mädchen bei den Summerhills unter, worüber sich Elisabeth und ihre Schulfreundin Florence äußerst begeistert zeigten. Anschließend drängte sie ihre schwarzen Begleiter zum Aufbruch. Charlotte wusste, dass jeder Tag, den sie ungenutzt verstreichen ließ, ein verlorener Tag war, und schlimmer noch: Die Zeit, die sie mit sinnlosem Warten vergeudete, entfernte sie immer weiter von ihrem geliebten Mann.
    » Ruckeln von Eisenbahn ist wie mama, die auf Feld mit Hacke schlägt « , schwatzte Jonas Sabuni jetzt fröhlich weiter. » Wiegt toto hin und her, macht toto müde, toto muss schlafen. «
    » Das ist gar nicht so dumm von ihm « , meinte Charlotte. » Wir werden erst heute Abend in Morogoro sein, du solltest auch ein wenig die Augen zumachen, Jonas Sabuni. «
    » Jonas Sabuni kann nicht schlafen. Muss immer zu Fenster hinaussehen. Alles läuft vorbei, Baum, Gras, dondoro, tembo, twiga … Jonas Sabuni muss schauen, kann nicht aufhören,

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