Sanfter Mond über Usambara
Müde kroch sie in ihr Bett in der engen Kammer des Gasthofs und lauschte noch eine Weile auf die Stimmen, die aus der Gaststube drangen, dann glitt sie hinüber ins Reich der Träume. Sie schlief so fest, dass sie erst von Simbas Gebell erwachte. Jemand klopfte an ihre Zimmertür.
» Guten Morgen. Ich warte im Hof auf Sie! « , vernahm sie die wohlvertraute Stimme des Engländers.
Großer Gott– es war längst hell, sie hatte verschlafen. Hastig zog sie sich an, steckte das Haar auf und packte ihre Sachen zusammen. Als sie in den Hof trat, lehnte Jeremy mit vor der Brust verschränkten Armen an einer Hauswand und kaute auf einem Grashalm. Jonas Sabuni und Johannes Kigobo waren nirgendwo zu sehen.
» Na endlich « , bemerkte er, als sie ihm entgegentrat. » Ich dachte, Sie wollten so rasch wie möglich aufbrechen, und laufe mir schon seit Stunden die Hacken ab. «
Es war kurz vor acht– er konnte seit höchstens zwei Stunden auf den Beinen sein, trotzdem war sie ärgerlich auf sich selbst und murmelte eine verlegene Entschuldigung.
» Dann legen wir mal los! « , sagte er und stülpte grinsend den Hut auf sein kupferfarbenes Haar.
Von diesem Moment an war Jeremy Brooks plötzlich ein anderer. Mit freundlich-überlegener Miene machte er dem Händler Gebauer klar, dass er weder seine schwarzen Träger noch einen Pfadfinder benötigen würde, doch er würde gern noch ein paar zusätzliche Dinge bei ihm erstehen, vorausgesetzt, Qualität und Preis stimmten. Es war kaum zu glauben, aber Gebauer schluckte die bittere Pille. Jeremy erwarb nur das Nötigste und ließ es auf die Maultiere packen, die Johannes Kigobo und Jonas Sabuni inzwischen herbeigeführt hatten. Woher sie stammten, verriet Jeremy nicht, aber an der missmutigen Miene des Händlers erkannte Charlotte, dass Jeremy wohl mit dem Eigentümer in direkte Verhandlungen getreten war.
Charlotte war beeindruckt. Gewiss, sie hatte ihn unterschätzt, immerhin hatte er schon etliche Jagdgesellschaften ausgerüstet und war mit ihnen auf Safari gegangen, er wusste, worauf es bei einer solchen Unternehmung ankam. Vor allem aber war er gerissen und konnte dazu noch selbstbewusst auftreten. Sie war mit allen seinen Entscheidungen einverstanden und zahlte den ausgemachten Preis.
Am frühen Nachmittag erreichten sie die ersten größeren Ausläufer des Gebirges, das hier als steiler, über zweitausend Meter hoher Felsgrat verlief. Johannes Kigobo und Jonas Sabuni frohlockten und riefen immer wieder, es sei hier genau wie in ihrer Heimat in Usambara, nur diese oder jene Pflanze gebe es bei ihnen nicht.
» Das Berg wie kleine Bruder von Usambara, bibi Johanssen. Kleine Bruder von Usambara tut daktari Johanssen nichts Böses. Hier viele Pflanzen leben, die Menschen machen gesund… «
Sie folgten eine Weile dem Pfad zwischen lichtem Buschwerk hügelan, bis sie in ein dichtes Waldgebiet gelangten und den Maultieren eine Pause gönnen mussten. Es war kühl unter den hohen Bäumen, außerdem sehr feucht, denn vom Berg herab strömten breite und schmale Rinnsale, die den Wald mit reichlich Wasser versorgten. Rechteckig angelegte Pflanzungen mit Bananenstauden und Mais wiesen auf ein Eingeborenendorf hin, wegen der dichten Vegetation war jedoch nichts davon zu sehen.
Seit sie aufgebrochen waren, befand sich Charlotte in einem Zustand der Rastlosigkeit, den sie nur mit Mühe vor ihren Begleitern verbergen konnte. Sie war froh, nun endlich unterwegs zu sein, Georges Spuren zu folgen, sich ihm zu nähern. Gleichzeitig verspürte sie große Angst vor dem Unfasslichen, das sie nicht zulassen wollte und dennoch würde ertragen müssen, wenn das Schicksal es denn beschlossen hatte.
Als ein paar halbwüchsige Knaben aus dem Dorf zu ihnen liefen, um sie neugierig anzustarren, versuchte sie, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Ob sie den bwana daktari gesehen hätten, und wenn ja, wann? Hatte jemand aus dem Dorf als Träger die Expedition begleitet?
Es war nicht einfach, sich mit den kleinen Burschen zu verständigen, es waren Waluguru, die nur wenige Worte Suaheli kannten, und Charlotte verstand ihre Sprache nicht. Nach einer Weile näherten sich zögernd einige Frauen und versuchten, sich an der Unterhaltung zu beteiligen– das einzige Ergebnis von Charlottes Bemühungen war jedoch, dass die Frauen ihnen zwei Ziegen und einen Korb voller Eier verkaufen wollten.
» Auch gut « , meinte Jeremy schmunzelnd. » Kaufen Sie ihnen die Sachen ab. Und passen Sie auf, dass Ihr
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