Sanfter Mond über Usambara
länglichen, grünen Früchte waren reif, und wo eine Frucht zu Boden gefallen und aufgeplatzt war, sammelten sich Insekten, angezogen vom verführerisch süßen Duft. Frauen kehrten von ihren Feldern zurück, barfuß, die Gewänder zerrissen und mit rötlichem Staub bedeckt. Sie trugen Körbe mit Bohnen und Erdnüssen auf den Köpfen und riefen einander Scherzworte zu.
Weshalb habe ich nicht so viel Vertrauen in mein Schicksal wie diese Frauen?, fragte sie sich nachdenklich. Niemand weiß, wie die nächste Regenzeit wird oder ob sie ganz ausfällt– aber sie lachen und hoffen einfach, dass alles gut wird.
Es gab tatsächliche mehrere indische Läden in Morogoro, außerdem auch indische und afrikanische Handwerker, die sich in der Nähe des Marktes angesiedelt hatten. Sie besaßen meist nicht mehr als einen phantasievoll zusammengezimmerten Holzverschlag, der mit einem Stück Wellblech vor dem Regen geschützt war, einige Afrikaner hatten sogar nur einen strohgedeckten Unterstand. Der Laden des Josef Gebauer hingegen war ein fester Steinbau mit einem Obergeschoss, in dem sich vermutlich ein Teil seines Lagers befand. Hinter dem Laden umgrenzte ein Bretterzaun ein ziemlich ungepflegtes Stück Land, verfallene Schuppen standen darauf, Hühner pickten zwischen wildem Gebüsch und vertrockneten Akazien, drei Maultiere weideten das dürre Gras ab. Charlotte konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie dieser Mann ihr genügend Reittiere für ihre Suchaktion vermitteln wollte, doch sie täuschte sich gewaltig. Josef Gebauer musste bereits ungeduldig auf sie gewartet haben, denn kaum ertönte der helle Klang des kupfernen Glöckchens an seiner Ladentür, da eilte er auch schon aus dem hinteren Teil seines Geschäfts auf die wohlhabende Kundin zu.
» Einen wunderschönen Tag, meine liebe Frau Johanssen. Was für eine Freude, dass Sie nun doch den Weg zu mir gefunden haben. Schauen Sie sich nur um– wühlen Sie nach Herzenslust, es ist für jeden Geschmack und jeden Bedarf etwas dabei… «
Offenbar hatte er geglaubt, Charlotte leicht übers Ohr hauen zu können, doch sie war mit offenen Augen durch die Straßen und Läden gegangen, hatte sich hie und da nach den Preisen erkundigt, und als Josef Gebauer nun die seinen nannte, musste er feststellen, dass die hübsche Frau Johanssen nicht die leichte Beute war, auf die er gehofft hatte.
Charlotte suchte einige Sachen für ihre beiden Begleiter aus, Bastmatten, Decken, Bekleidung, Geschirr, ein Zelt, handelte mit Gebauer vernünftige Preise aus, und kam dann auf sein Angebot zu sprechen, ihr Träger und Maultiere zu beschaffen.
» Ich habe nicht eben viele Reittiere auf Ihrem Grundstück entdecken können, Herr Gebauer… «
Der Händler beeilte sich, ihr zu versichern, dass sie die dringend benötigten Träger und Maultiere nur über ihn erhalten könne.
» Ich habe die Leute an der Hand, Frau Johanssen. Sie kommen nicht an mir vorbei, schon gar nicht, wenn es um die Pfadfinder geht. Sie brauchen doch Leute, denen Sie vertrauen können, oder wollen Sie sich etwa irgendwelchen Schurken anheimgeben? «
Er erzählte ihr eine gruselige Geschichte von einem deutschen Schmetterlingsforscher aus Lippe-Detmold, der vor Jahren vollkommen ahnungslos nach Deutsch-Ostafrika gekommen und von einem betrügerischen Expeditionsleiter bis aufs letzte Hemd ausgeraubt worden war. So jovial er sich auch gab, diesmal blieb Josef Gebauer bei den Verhandlungen knallhart und wich nicht um eine einzige Rupie von seinen Forderungen ab.
Charlotte platzte fast vor Zorn. Die Zeit drängte, wenn ihre Suche überhaupt noch einen Sinn haben sollte, musste sie sich schnellstmöglich mit ihm einigen.
» Ich werde es mir überlegen « , sagte sie gedehnt, auch wenn ihr Herz bei diesem Täuschungsmanöver heftig zu klopfen begann. » Morgen oder übermorgen schaue ich wieder vorbei… «
Ihr Zögern machte Eindruck. Josef Gebauer zog die Stirn in Falten und gab zu bedenken, er müsse Reittiere und Leute erst herbeischaffen, das könne dauern. Sie kenne doch die Neger, die hätten Zeit im Überfluss und richteten sich nach keiner Uhr…
» Nun ja, so ist das hier in Afrika… « , erwiderte sie mit unbewegter Miene, schüttelte ihm die Hand und machte sich auf den Rückweg zum Gasthaus.
Kurz vor der Abenddämmerung würde sie zurückkehren und erneut mit ihm verhandeln. Wenn er dann immer noch hart blieb, würde sie seine Bedingungen annehmen müssen.
Zurück in ihrem Zimmer, trank sie
Weitere Kostenlose Bücher