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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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Holz zieht bwana zu dir zurück. «
    Überrascht erkannte Charlotte einen Bleistift in ihrer Hand. Einer von Georges unzähligen, immer wieder angespitzten Bleistiftstummeln, die er in allen Taschen mit sich herumtrug. Dieser hier war einst hellblau mit einem silbernen Rand am oberen Ende gewesen, jetzt allerdings war er zerkratzt, die Farbe fast ganz abgeblättert, der silberne Rand grau.
    Charlotte verspürte plötzlich eine überwältigende Sehnsucht nach ihrem Mann und wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen. Georges Hände hatten diesen Bleistift geführt, er hatte damit seine Notizen geschrieben und anschließend vergessen, ihn wieder in die Jackentasche zu stecken!
    » Ich… ich danke dir « , stammelte sie ergriffen, bemüht, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, doch alles löste sich auf einmal: die schreckliche Anspannung, die Hoffnung, die Angst, die Sorge wegen der zusätzlichen Verzögerung. Charlotte schluchzte und schluchzte, und die fremde Waluguru-Frau zog sie an ihre breite Brust und wiegte sie tröstend in ihren kräftigen Armen, als wäre sie ein kleines Kind.
    Die Frauen luden sie über Nacht in ihre Hütte ein, doch Charlotte lehnte mit freundlichem Dank ab. Sie wollte Jeremy nicht beleidigen, der extra für sie das Zelt hatte aufbauen lassen. Im Dorf, in dem am heutigen Abend ein Festmahl abgehalten wurde mit den drei mbusi, die sie selbst spendiert hatte, und unzähligen Krügen voll Reisbier, wäre es ihr ohnehin zu lärmig gewesen. So saß sie nur eine Weile bei den Frauen und Kindern, während rings um sie herum schon die ersten Tänzer, meist halbwüchsige Kinder, ihre Künste zeigten und die armen Zicklein am Spieß gedreht wurden. Das Fleisch schmeckte hervorragend, obgleich sie die afrikanische Sitte nicht mochte, bei der man der garen Ziege den zuvor abgetrennten Kopf wieder ansteckte, um den Braten auf diese Weise eindrucksvoll zu präsentieren.
    Die drei schwarzen Begleiter aus Morogoro und ihre beiden Waschamba schienen sich auf dem Fest ausgesprochen wohlzufühlen. Auch Jeremy ließ es sich nicht nehmen, zwischen den Dorfältesten Platz zu nehmen, und Charlotte, die ihn aus der Ferne beobachtete, verglich sein Verhalten den Eingeborenen gegenüber unwillkürlich mit dem ihres Ehemannes.
    George war ruhig und von gleichbleibender Freundlichkeit, wenn er sich mit Afrikanern unterhielt. Die Ironie, die er in der Auseinandersetzung mit weißen Gesprächspartnern so liebte, hatte im Gespräch mit den Schwarzen keinen Platz. Er ging respektvoll mit ihnen um, konnte Fragen stellen und zuhören, doch zugleich hatte er etwas Schulmeisterliches an sich. Jeremy war da ganz anders. Er zeigte sich lebhaft und schwatzte ausgiebig und laut. Das Zuhören war nicht seine Sache, stattdessen riss er gern Witze und freute sich, wenn darüber gelacht wurde. Er konnte wegen einer Kleinigkeit ärgerlich werden und lospoltern, doch gewalttätig wurde er nie. Genau wie George genoss Jeremy bei den schwarzen Begleitern großes Ansehen, auch Johannes Kigobo und Jonas Sabuni waren begeistert, dass gerade Jeremy Brooks diese Unternehmung führte.
    Er hat etwas von Max, dachte sie.
    Max von Roden, ihr zweiter Ehemann, Elisabeths Vater, mit dem sie so glücklich auf der Plantage am Kilimandscharo gelebt hatte, bevor er bei der Großwildjagd dem Biss einer schwarzen Mamba zum Opfer gefallen war, war in allem so ganz anders gewesen als George, und doch hatte sie George Johanssen auch damals nie ganz vergessen können. Wie eine flirrende Fata Morgana am Horizont hatte er sie fast ihr ganzes Leben über begleitet.
    Als sie sich nach einer Weile von den Frauen verabschiedete und das Dorf verließ, um das für sie errichtete Zelt aufzusuchen, erhob sich auch Jeremy und schlenderte hinter ihr her.
    » Ich hoffe, Sie sind nicht allzu enttäuscht wegen der Verzögerung… « , sagte er.
    Sie drehte sich zu ihm um, und er schloss mit zwei Sprüngen zu ihr auf. Je weiter sie sich vom Dorf entfernten, desto schwächer wurde der rötlich flackernde Feuerschein in ihrem Rücken; ihre Schatten, die vor ihnen hergelaufen waren, verschmolzen mit dem Waldboden. Über ihnen tauchte ein kühler Sichelmond zwischen den Baumkronen auf, umgeben von einer Handvoll hell leuchtender Sterne.
    » Ich weiß, dass es nicht zu ändern ist. Es war trotzdem ein erfolgreicher Tag. Sehen Sie, was eine der Frauen mir gegeben hat! «
    Sie zog den Bleistift aus der Tasche und hielt ihn wie eine Trophäe in die Höhe. Er musste zweimal

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