Sanfter Mond über Usambara
etwas Wasser und legte sich anschließend schlafen. Gegen fünf Uhr am Nachmittag wurde sie vom Pfeifen der Lokomotive geweckt, ein Geräusch, das trotz des Lärms in Küche und Hof des Gasthauses nicht zu überhören war. Charlotte zog sich an, rief ihre beiden Angestellten zu sich und nahm Simba an die Leine.
» Wir gehen noch einmal einkaufen? « , wollte Johannes Kigobo wissen, der wenig Lust hatte, sich von der netten schwarzen Angestellten zu trennen, die ihm vor der Küchentür ein paar Leckereien zugesteckt hatte.
Charlotte blieb ihm die Antwort schuldig, denn in diesem Augenblick kam ein Mann in den Hof geschlendert. Er war jung und gut gebaut, unter seinem Hut quoll kupferfarbenes, welliges Haar hervor, das in der Sonne glänzte.
Jeremy Brooks behauptete, auf der Plantage vor Langeweile fast umgekommen zu sein, im Grunde sei er ja auch kein Pflanzer, sondern eher ein Herumtreiber, der es noch nie allzu lange an einem Ort ausgehalten habe.
» Und weshalb sind Sie ausgerechnet nach Morogoro gefahren? « , fragte Charlotte und versuchte, nicht verärgert zu sein, weil er die Leitung der Plantage nun entgegen seines Versprechens allein in Peter Siegels Händen gelegt hatte. Peter hatte sie immer wieder überrascht, vielleicht würde er auch diesmal über sich selbst hinauswachsen.
» Ich hatte da so ein Gefühl… «
Sie saßen in der Gaststube an einem der kleineren Tische, die für durchreisende Fremde bestimmt waren. Jeremy hatte Charlotte gegenüber Platz genommen; er stützte die Ellenbogen auf die Tischplatte und lehnte sich nach vorn, wenn er mit ihr sprach. Sie selbst hielt sich gerade und drückte den Rücken gegen die Stuhllehne, doch sosehr sie sich auch bemühte, Distanz zu wahren– sie konnte ihre Erleichterung über sein plötzliches Erscheinen nicht verbergen. Dieser Bursche, der sich selbst einen Herumtreiber nannte, schaffte es, ihr ein Gefühl der Zuversicht zu vermitteln, so dass ihr die Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen hatte, nun nicht mehr ganz so unüberwindlich erschienen.
» Ein Gefühl? «
» Nennen Sie es, wie Sie wollen, Charlotte. Ein Gefühl. Eine Ahnung. Einen Instinkt. Auf jeden Fall hat mich Ihr Telegramm beunruhigt, und ich dachte, ich könne mich hier vielleicht nützlicher machen als auf der Plantage. «
Charlotte zögerte und musterte ihn wortlos. Einerseits konnte er ihr tatsächlich von Nutzen sein– auf der anderen Seite hatte sie ein ungutes Gefühl bei dem Gedanken, mit ihm gemeinsam in die Wildnis zu reiten.
» Es ist ein Angebot, Charlotte « , sagte er und schlug die Augen nieder. » Vielleicht gehe ich Ihnen ja auf die Nerven damit, Sie müssen es nur sagen. «
» Was ist mit der Plantage? Und mit der Kapelle, die Sie unbedingt bauen wollten? «
» Zwei Fragen auf einmal « , brummte er und drehte sich nach der Wirtin um. » Was möchten Sie essen, Charlotte? Ich jedenfalls brauche erst einmal etwas Anständiges zwischen die Zähne und ein ordentliches Bier gegen den Durst. «
Die Wirtin beeilte sich, an ihren Tisch zu kommen und mit wohlmeinendem Lächeln nach ihren Wünschen zu fragen. Charlotte las ihr die Neugier vom Gesicht ab, natürlich machte sie sich Gedanken, was Frau Johanssen, die angeblich gekommen war, um ihren Ehemann zu suchen, mit diesem gut aussehenden Burschen zu schaffen hatte.
» Heute gibt es Schweinefleisch mit Curry und Ingwer, dazu Reis und Gemüse. Möchten Sie auch ein Zimmer mieten, Herr… «
» Jeremy Brooks. Nein, danke, ich schlafe lieber unter freiem Himmel. Bringen Sie Essen für zwei und vernünftiges Bier. Dieses hier taugt nichts. «
Die Wirtin entschuldigte sich und verschwand errötend, um ihm einen neuen Krug zu holen.
Er ist wirklich ein Charmebolzen, dachte Charlotte und grinste, doch gleich darauf wurde ihr Gesicht wieder ernst.
» Also dann der Reihe nach « , forderte sie. » Die Plantage. «
Er rutschte auf dem Stuhl hin und her und fuhr sich dann über das unrasierte Kinn.
» Jawohl, Frau Chefin. Der Plantage geht es großartig, weil sich inzwischen ein vorzüglicher Verwalter eingefunden hat. Ich hätte bei seinem Anblick zwar eher auf einen Landstreicher getippt, aber der Mann hat sich als Glücksfall entpuppt und mich arbeitslos gemacht. «
Herausfordernd schaute er sie an, griff dann den Bierkrug, den die Wirtin vor ihn hingestellt hatte, und prostete Charlotte zu. » Ein Landstreicher? « , hakte diese überrascht nach. » Am Ende ist es noch dieser Mann, der schon in Wilhelmsthal
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