Sanfter Mond über Usambara
einigen Jahren in Daressalam herausgab, doch nachdem sie die ersten Überschriften gelesen hatte, legte sie das Blatt beiseite. Diese Dinge waren fern, außerhalb ihrer Reichweite, es war besser, sich nicht zu intensiv damit zu beschäftigen.
Die andere Zeitung, die Zeitschrift für Tuberkulose, die George abonniert hatte, herausgegeben von einer gewissen Lydia Rabinowitsch-Kempner, ließ sie ungeöffnet und riss stattdessen den Umschlag des Briefes auf.
Zu ihrer Überraschung befanden sich drei Schreiben von unterschiedlicher Hand darin, eines davon stammte von Jacob Götz, das zweite war in krakeliger Schrift in Suaheli geschrieben und schien von Hamuna zu stammen. Wer mochte es für sie verfasst haben? Weshalb war sie nicht zu Willi Guckes gegangen, der sonst Hamunas und Sadallas Mitteilungen aufschrieb? Vollends rätselhaft war der dritte Brief, denn er stammte von einem burischen Pflanzer, Josef Vosch, der sich vor drei Jahren in der Nähe ihrer Plantage niedergelassen hatte.
Ihre Hände zitterten plötzlich so heftig, dass sie nur mit Mühe Jacobs kurze Zeilen entziffern konnte.
Sehr geehrte Frau von Roden!
Ich habe noch keine Abrechnung gemacht, weil ich den Schaden, der durch den Brand bei den Lagerschuppen entstanden ist, vorerst nicht einschätzen kann. Die Arbeiten gehen voran, und ich werde die Zahlen bald schicken. Wir hatten wenig Regen, was für den Sisal gut war. Es muss Holz geschlagen werden, um Bretter zu sägen, auch brauchen wir Nägel und Stacheldraht. Ich lasse alles bewachen, besonders in der Nacht, weil man nie sicher ist in der Dunkelheit.
Ich lege einen Brief von Josef Vosch bei. Er gab ihn mir, weil er Ihre Adresse in Deutschland nicht kennt und ich sie ihm nicht geben will. Aber ich möchte den Brief auch nicht unterschlagen.
Ihr getreuer
Jacob Götz
Charlotte las das Schreiben mehrfach, ohne daraus recht schlau zu werden. Jacob hatte sich niemals gewählt ausdrücken können, er war ein einfacher Mensch ohne höhere Schulbildung, doch bisher hatten seine Nachrichten stets vernünftig und logisch geklungen. Diese aber erschien ihr vollkommen wirr. Ein Brand hatte die Lagerschuppen betroffen? Wie hatte das geschehen können? War jemand zu Schaden gekommen? Was war dabei vernichtet worden, doch nicht etwa die bereits verpackten Sisalfasern? Und wieso hatte er dem Buren ihre Adresse nicht nennen wollen?
Unsicher blickte sie zu George hinüber, der jedoch ganz und gar in seine Arbeit vertieft war. Sie beschloss, ihn nicht zu stören, und wandte sich dem nächsten Brief zu. Das Schreiben von Josef Vosch war zwar in fehlerhaftem Deutsch verfasst, der Inhalt war jedoch klar. Der Bure bedauerte den tragischen Unfall auf ihrer Plantage und bot zugleich eine nicht unbeträchtliche Summe für ihren Besitz. Er begründete sein großzügiges Angebot damit, dass die Pflanzung für ihn günstig gelegen sei, gleich in der Nachbarschaft, was es ihm ermögliche, die beiden Besitztümer ohne Schwierigkeiten zusammenzulegen.
Charlotte war unangenehm berührt von diesem Ansinnen. Gewiss, sie hatte darüber nachgedacht, die Plantage zu veräußern, als sie im März nach Deutschland reisten, aber inzwischen hing ihr Herz mehr denn je an diesem Stückchen afrikanischer Erde. Max hatte seine ganze Kraft in diese Pflanzung gesteckt, sie war Elisabeths Erbe, und das Kind betrachtete diesen Ort als seine Heimat. Nein, sie wollte die Plantage nicht verkaufen, schon gar nicht dem hageren, kargen Josef Vosch, der stets so frömmelnd daherkam, wenngleich ihm die pure Raffgier in den Augen stand. Diesem unangenehmen Kerl würde sie ihr Land auf keinen Fall überlassen, selbst wenn er es mit Gold aufwöge. Wie kam er überhaupt dazu, ihr ein solches Angebot zu unterbreiten?
Etwas in ihrem Inneren zog sich zusammen und wollte ihr schier die Luft abdrücken. Sie versuchte, sich zu beruhigen, wünschte sich, das dumme Herzklopfen würde endlich aufhören. Was war denn so ungewöhnlich an diesem Angebot? Vosch war schon lange darauf aus gewesen, seinen Besitz zu vergrößern, und jetzt, da sie nach Deutschland zurückgekehrt war, rechnete er sich offenbar gute Chancen aus, ihre Plantage zu kaufen. Geschäft war Geschäft, da musste man schnell sein und konnte keine Rücksicht nehmen. Das wusste sie selbst nur allzu gut, schließlich hatte sie einmal einen Laden geführt und war eine geschickte Händlerin.
Nachdenklich nahm sie sich Hamunas Brief vor. Einen Moment überlegte sie, ob sie Elisabeth in die Wohnstube
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