Sanfter Mond über Usambara
frischen Geruch ihrer blonden Locken.
» Mama? «
» Ja, Lisa? «
» Er kommt ganz bestimmt. «
» Natürlich, mein Schatz. George kommt zu uns zurück. «
» Ich weiß es ganz sicher, Mama. Ich habe ihn gesehen. «
Charlotte strich ihr das wilde Haar aus dem Gesicht und liebkoste zärtlich ihre Schläfe.
» Ich habe ihn auf dem Rückweg von der Schule gesehen, Mama. Es war ganz sicher George, nur dass er dunkle Augengläser trug, das war merkwürdig. Und als ich nach ihm gerufen habe, hat er sich nicht umgedreht. «
» Wie seltsam « , sagte Charlotte nachdenklich. » Ich habe heute auch einen Mann gesehen, den ich für George hielt… «
Es war unbedacht, solche Dinge zu sagen. Sie durfte in dem Kind keine Hoffnungen wecken, die sich doch nur als Enttäuschung herausstellen würden. Es konnte unmöglich George gewesen sein, sonst wäre er doch längst hierher zu ihnen in die Villa gekommen… Doch vielleicht waren falsche Hoffnungen besser als gar keine.
» Siehst du! « , trumpfte Elisabeth auf. » Ich wette, er kommt noch vor heute Abend, Mama! «
» Vielleicht, mein Schatz. Aber wenn nicht, darfst du nicht so traurig sein. «
» Er wird kommen! « , behauptete Elisabeth steif und fest, löste sich aus der Umarmung und rutschte von Charlottes Schoß. Dabei stieß sie an den Pappkarton und versuchte neugierig, den Deckel zu lüften.
» Was ist das, Mama? Ein Geschenk für mich? Ich habe in drei Tagen Geburtstag. «
» Finger weg! Geschenke gibt’s erst dann, Lisa. «
Vielleicht war es ganz klug, dieses unglückselige Paket als Geburtstagsgeschenk auszugeben; sie wollte auf keinen Fall, dass Elisabeth den Inhalt sah. Entschlossen hob sie den Karton vom Schreibtisch und wollte ihn gerade auf den Boden stellen, als sie stutzte. Unter dem Karton hatten mehrere Photographien gelegen, doch diese waren nun fort. Sie zeigten Jeremy in allen möglichen albernen Posen, die Charlotte aus Spaß aufgenommen hatte, um ihm zu zeigen, wie man die Aufnahmen in der Dunkelkammer entwickelte und auf Papier brachte.
» Wo sind die Photographien, Elisabeth? « , fragte Charlotte streng und schaute sich suchend um.
Ihre Tochter öffnete den Mund, um eine empört-patzige Antwort zu geben, als ihr Blick auf den Papierkorb fiel. » Dort Mama, du hast sie doch selbst weggeworfen! «
» Ich? « , fragte Charlotte verärgert. Elisabeth, das kleine Biest, hatte die Bilder in Fetzen gerissen, ihre Abneigung gegen Jeremy kannte offenbar keine Grenzen.
» Du kannst sie ja wieder zusammensetzen « , sagte das Mädchen, bückte sich, um die Fetzen aus dem Papierkorb zu klauben, und schob sie auf der Schreibtischplatte hin und her.
» Was fällt dir nur ein? « , schimpfte Charlotte.
» Ich war das nicht! « , schrie Elisabeth aufgebracht und stapfte voller Zorn aus dem Zimmer.
Doch wer sonst hätte die Photographien zerreißen und wegwerfen sollen? Keinem der Hausangestellten wäre es eingefallen, so etwas zu tun. Jeremy? Wie sollte er heute früh ungesehen ins Arbeitszimmer gelangt sein, und vor allem: Warum in aller Welt sollte er sich an den Bildern vergreifen?
Seufzend begann Charlotte, die Papierschnipsel mit beiden Händen zusammenzuschieben, als sie plötzlich einen Zettel am Rand des Schreibtischs entdeckte, den sie bislang übersehen hatte– ein kleiner Zettel, eineViertelseite nur, sorgsam und gerade mit dem Papiermesser abgeschnitten und mit Bleistift beschrieben.
Es war seine Schrift. George hatte diesen Zettel geschrieben. Mit zitternden Fingern klaubte sie das Papier vom Schreibtisch, redete sich ein, es müsse sich um eine alte Notiz handeln, ein Lesezeichen, das aus einem Buch gefallen war. Und dennoch…
Charlotte,
verzeih mir, dass ich Dir erst jetzt Nachricht gebe. Ich habe mich eine Weile in der Wildnis aufgehalten, was für einen Waldläufer wie mich nichts Ungewöhnliches ist. Es hat sich vieles verändert, und ich glaube, es ist Zeit, Bilanz zu ziehen. In aller Ruhe und mit klarem Verstand, schließlich sind wir erwachsene Menschen, die einander respektieren sollten. In einigen Tagen bin ich wieder zurück, dann werden wir miteinander reden.
George
Die Buchstaben verschwammen vor ihren Augen, sie musste tief durchatmen, da sie meinte, im ersten Glücksrausch das Bewusstsein zu verlieren. Sie versuchte, den Text noch einmal zu lesen, doch ihre Hand zitterte so heftig, dass sie kein einziges Wort entziffern konnte.
» Bibi Johanssen kommen in Wohnzimmer. Essen ist fertig. «
Die Stimme ihres
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