Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
Vom Netzwerk:
sie hatte anfertigen lassen. Einzig den zierlichen weißen Sonnenschirm, den er ihr einmal aus Tanga mitgebracht hatte, hatte sie noch nie benutzt. Damals hatte sie ihn schrecklich ausgelacht und ihn gefragt, ob er tatsächlich vorhabe, eine englische Lady aus ihr zu machen.
    » Sie haben weiß Gott genug für mich getan, Jeremy « , sagte sie nun mit unsicherer Stimme. » Ich hätte mir wirklich gewünscht, Sie noch ein wenig länger in Daressalam zu behalten, aber… «
    » Sie sind gut bewacht, Charlotte « , erwiderte er grinsend. » Und ich respektiere Ihre kleine Wächterin. «
    Jeremy war einige Tage in ihrer Villa zu Gast gewesen, und Charlotte hatte seine Gegenwart als sehr angenehm empfunden, denn er lenkte sie von ihrem Kummer ab. Sie weihte ihn in die Kunst des Photographierens ein, lieh ihm Bücher und spielte ihm auf dem Klavier vor, oft saßen sie auch einfach nur miteinander im Garten und unterhielten sich. Es waren selten tiefgründige Gespräche, da Jeremy ein großes Talent darin bewies, ernsthaften Fragen auszuweichen. Dafür heiterte er sie auf und machte ihr Mut; oft schwatzte er auch allerlei Unsinn, um sie zum Lachen zu bringen. Sobald jedoch Elisabeth am Nachmittag aus der Schule zurückkehrte, war es mit der Ruhe in der Villa vorbei. Schon in Neu-Kronau hatte das Mädchen seine Abneigung gegen Jeremy Brooks deutlich gemacht, jetzt, da sie auf engem Raum miteinander wohnten, war es zu unschönen Szenen gekommen– Elisabeth war eifersüchtig auf Jeremy, und sie achtete peinlichst genau darauf, dass er nicht den Platz ihres geliebten Adoptivvaters einnahm.
    » Er macht dir Komplimente « , hatte sie ihrer Mutter eines Abends vorgeworfen, als sie unter sich waren, und Charlotte, die spürte, dass ihre Tochter längst nicht mehr der unbedarfte kleine Wildfang war, der kaum Regeln und Grenzen kannte, musste sich alle Mühe geben, nicht verlegen zu werden. In wenigen Tagen würde Elisabeth ihren zehnten Geburtstag feiern, und sie hatte verkündet, sich nur eines zu wünschen: George solle kommen– alles andere sei ihr gleich.
    » Es stimmt, Mama « , hatte sie beharrt, als Charlotte sie streng zurechtwies. » Und er starrt dich immer nur an. Er soll wegfahren, auf die Plantage oder besser noch ganz weit fort, ans Ende der Welt! «
    Jeremy hatte sich anfangs um Elisabeth bemüht, er schlug vor, an den Abenden gemeinsame Spiele zu machen, versuchte, sie durch seine Geschichten zu fesseln, doch das Mädchen ließ sich nicht umstimmen.
    » Da habe ich ja wahrhaft schlechte Karten « , hatte er schließlich resigniert zu Charlotte gesagt. » Für Ihre Tochter bin ich ein ungebetener Eindringling, und irgendwie hat sie nicht ganz unrecht. Vielleicht sollte ich tatsächlich lieber in Neu-Kronau nach dem Rechten sehen. Und dann wartet ja auch noch die Kapelle auf mich, die ich unbedingt bauen möchte. Wenn sie fertig ist, dann reisen Sie ins Usambara-Gebirge zur feierlichen Einweihung, das müssen Sie mir versprechen, Charlotte. «
    Erleichtert stimmte sie zu; sie würden sich ohne irgendeinen Missklang trennen, noch dazu mit der Aussicht auf ein Wiedersehen.
    Der Küstendampfer legte unten am Steg an, die schmale Landungsbrücke wurde ausgefahren, und sie sahen die vielen bunt gekleideten Leute, die hinter der Reling warteten.
    » Trotzdem bedauere ich Ihre Abreise, Jeremy « , sagte sie und reichte ihm ihre Hand. » Ich werde Sie vermissen. «
    Seine Hand umschloss die ihre und hielt sie fest. Die Hände des Engländers waren kräftig und kantig, ganz anders als die von George, die schmal waren, mit langen, feingliedrigen Fingern.
    » Tatsächlich? «
    » Ja, Jeremy. Ganz gewiss, und das ist keine leere Floskel. «
    Er schwieg und schien mit sich selbst zu kämpfen, denn er ließ ihre Hand nicht los. Dann schien er einen Entschluss zu fassen.
    » Hören Sie, Charlotte « , stieß er heiser hervor. » Ich wünsche Ihnen wirklich, dass Ihr Mann zu Ihnen zurückkehrt. Aber… falls er sich mit seiner Rückkehr Zeit lassen sollte und Sie brauchen Hilfe– dann bin ich jederzeit für Sie da. Das schwöre ich. «
    » Das ist… sehr anständig von Ihnen, Jeremy. «
    Der Engländer verzog das Gesicht, und Charlotte bemerkte den Schmerz, der sich darin spiegelte. » Sie haben einen anderen Menschen aus mir gemacht « , murmelte er und blickte hinunter zum Landungssteg, wo gerade unter lautem Geschrei ein Warenballen ins Hafenwasser gefallen war. » Einer Frau wie Ihnen begegnet man nur einmal im Leben, davon

Weitere Kostenlose Bücher