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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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bin ich überzeugt. Wenn auch nur das kleinste Fünkchen Hoffnung besteht, dann will ich warten, wenn nötig, sogar jahrelang… «
    In einer plötzlichen Gefühlsaufwallung drückte er ihre Hand so fest, dass sie beinahe aufgeschrien hätte, dann stürmte er die gemauerte Treppe zum Strand hinunter und tauchte in der Menge der Passagiere ein, die den Dampfer bestiegen. Bald schon hatte sie ihn aus den Augen verloren. Nachdenklich machte sich Charlotte auf den Rückweg, mied dabei die Prachtstraßen des deutschen Viertels und benutzte lieber den schmalen Weg, der oberhalb der Abbruchkante am Strand entlangführte. Obgleich es schon lange nicht mehr geregnet hatte, war der Abhang dicht mit Schlingpflanzen und Disteln bewachsen, so dass sie Acht geben musste, dass sich ihr Kleid nicht darin verfing. Dafür bot sich hier jedoch ein wundervoller Blick über die glitzernde Bucht bis hinüber zum Immanuelskap, wo sich die prächtigen dunkelgrünen Kokospalmen im Südostwind wiegten. Sie atmete tief den salzigen, ein wenig fauligen Geruch des Meeres ein und wurde von schmerzlicher Trauer erfasst. Sie vermisste Simba, ihren treuen Begleiter, der so tapfer für sie in den Tod gegangen war; sie vermisste George, ihren wundervollen Ehemann, ihre große Liebe, der irgendwo in weiter Ferne um sein Leben kämpfte, wenn er nicht längst schon tot war; und sie vermisste Jeremy, den ungezähmten, jungenhaften Engländer, der ihr so unerschütterlich zur Seite gestanden hatte.
    Was hatte er zum Abschied gesagt? Er wolle auf sie warten, solange auch nur ein Fünkchen Hoffnung für ihn bestand. Worauf genau mochte der Engländer hoffen?
    Er war gut zehn Jahre jünger als sie, sah blendend aus und hätte jede andere haben können– warum verschenkte er sein Herz ausgerechnet an sie, eine verheiratete Frau, die ihren Ehemann aus ganzer Seele liebte? Sie würde George niemals verraten, dennoch spürte sie, wie ein Gefühl der Zärtlichkeit für den verqueren Burschen mit dem kupferfarbenen Haar in ihr aufstieg.
    Sie beschleunigte ihren Schritt und begann schließlich zu laufen, rannte gegen den Wind ohne Rücksicht darauf, dass ihr Kleid in den Disteln hängen blieb und der feine Sand in ihre Schuhe eindrang. Immer weiter und immer schneller trugen sie ihre Füße über den weichen Grund, bis sie nur noch das Hämmern ihres Herzens und ihren keuchenden Atem spürte. Erst als sie in die Straße einbog, die zu ihrer Villa führte, fiel sie wieder in ein gemessenes Schritttempo, um Nachbarn und Passanten keinen Anlass zu Getuschel zu bieten.
    Der rasche Lauf ließ sie schwindeln, und für einen Moment glaubte sie, einen hochgewachsenen, schlanken Mann auf der Straße zu sehen, keinen Eingeborenen, sondern einen Weißen mit blondem Bart, das Gesicht beschattet von einem hellbraunen Tropenhelm. Glühend heiß durchfuhr sie die Hoffnung, es könne George sein, doch als sie genauer hinsah, war die Gestalt verschwunden, eingetaucht in einen Seitenweg oder einfach mit einer weißen Hauswand verschmolzen.
    Eine Sinnestäuschung, dachte sie bekümmert. Wenn man so sehnlich auf jemanden wartet, spielen einem die Augen leicht einen bösen Streich. Es war nicht das erste Mal, dass sie glaubte, George zu erblicken. Schon mehrmals war ihr das unten in der Stadt passiert, einmal war sie sogar einem großen, schlanken Mann im hellen Tropenanzug nachgelaufen, fest davon überzeugt, es sei George. Doch als der Mann sich zu ihr umdrehte und sie breit angrinste, war er zu ihrem Entsetzen ein völlig Fremder gewesen.
    Vom Wind zerzaust betrat sie den Garten der Villa. Die Stille im Innenhof war angenehm. Die hohen Mauern hielten einen guten Teil des Südostwindes ab, nur hin und wieder schüttelte eine Bö die Zweige der Orangenbäumchen und kräuselte die Wasseroberfläche im Becken. Jim hatte die Gartenmöbel aufgestellt und den Sonnenschutz befestigt, ansonsten war von ihrer Dienerschaft recht wenig zu bemerken, weder im Haus noch in der Küche schien sich jemand aufzuhalten. Vermutlich waren sie für ein Stündchen in den Wohngebäuden verschwunden, die man für die schwarze Dienerschaft auf der anderen Seite der Villa errichtet hatte.
    Sie goss sich ein Glas Limonade ein, die im Eingangsbereich auf einem Tablett bereitstand, und beschloss, einige wichtige Briefe zu schreiben. Bei ihrer Rückkehr von der missglückten Suche hatte sie einen Stapel Post in der Villa vorgefunden, den sie bisher nur teilweise beantwortet hatte. Nun aber würde sie sich endlich

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