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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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Hafengebäude, nach vorn gebeugt gegen den heftigen Wind. Der steile Weg von der Kante hinunter zum Strand war jetzt ein Wasserfall, dennoch versuchte sie, dort hinabzusteigen. Bald schon verlor sie den Boden unter den Füßen und rutschte rücklings den Steilhang hinunter bis in den Sand.
    » George! Lauf doch nicht davon! Du verdammter Feigling! « , rief sie gegen das Tosen von Meer und Donner an, doch natürlich hörte er sie nicht.
    Mit aller Kraft kämpfte sie sich durch den weichen Sand bis zur Brandungszone, dort war der Untergrund fest, und sie kam rascher voran. Längst hatte sie die Schuhe abgestreift und fortgeworfen, sie trat auf Steine und angeschwemmtes Holz, zerbrochene Muscheln schnitten ihr in die Füße.
    » George! «
    Endlich wandte er sich um und blieb überrascht stehen. Ein aufzuckender Blitz erhellte seine große, hagere Gestalt, an der die nassen Kleider klebten, die dunkle Brille hielt er in der Hand.
    » Was willst du noch? « , fragte er in feindseligem Ton, als sie zu ihm aufschloss, und unternahm den schwachen Versuch, sein Halstuch vors Gesicht zu ziehen.
    » Die Wahrheit, George Johanssen. «
    » Du siehst sie doch vor dir « , spottete er und ließ das Halstuch sinken, dann zog er den Tropenhelm vom Kopf.
    Seine Stirn war bis zum Haaransatz mit Narben bedeckt, ebenso seine Nase und die Wangen, der Hals, die Außenflächen der Hände. Die Krankheit hatte sein linkes Auge geschädigt, deshalb also trug er die getönte Brille.
    » Gefalle ich dir? « , fragte er ironisch, doch von der spitzzüngigen Heiterkeit, die sonst seinen Ton bestimmte, fehlte diesmal jede Spur.
    Sie öffnete die Knöpfe seines nassen Hemds und berührte seine bloße Brust, die von den Narben verschont geblieben war. Ihre Hände schoben sich unter der Kleidung bis hinauf zu seinen Schultern und strichen zart über die Narben in seinem Nacken. » Hör auf, Charlotte. «
    » Ich liebe dich. «
    » Das bildest du dir nur ein. Du liebst längst einen anderen. Nun mach es mir doch nicht so schwer und lass mich in Würde gehen. «
    » Und wenn du bis ans Ende der Welt vor mir flüchtest, George– ich werde dir folgen. «
    » Du machst dir etwas vor, Charlotte. «
    » Nein– du bist es, der sich irrt. «
    Sie spürte, wie sein Widerstand schmolz, und zog seinen Kopf zu sich herunter. Als sie seine Lippen suchte, spürte sie, wie er ihr entgegenkam. Sie küssten sich, und ihr hastiger Atem und der dumpfe, schnelle Schlag ihrer Herzen übertönte noch das Geräusch der Wellen, die mit wütender Kraft gegen den Strand schlugen. » Denk nach, Charlotte « , murmelte er. » Willst du wirklich mit einem entstellten Mann leben? «
    Doch seine Frage hatte keine Bedeutung mehr, denn längst hielt er sie mit beiden Armen umschlungen, und seine Leidenschaft strafte seine Worte Lügen.
    » Ich will mit dir leben, George Johanssen. Mit dir und keinem anderen. Und wenn du mich nicht mehr liebst, dann will ich… «
    » Sei still « , sagte er zärtlich und verschloss ihren Mund mit seinen Lippen.
    » Sie müssen einen Schutzengel haben, Dr. Johanssen. «
    Die hübsche rothaarige Mrs Summerhill lächelte George voller Bewunderung an und blickte dann auffordernd zu ihrem Mann hinüber, der es sich mit einem Glas Whisky auf einem der Sessel bequem gemacht hatte. Mr Summerhill nickte zustimmend. Mit den Pocken im Leib vom Uluguru-Gebirge auf einem Maultier bis nach Iringa zu reiten dürfte selbst dem Hartgesottensten schwerfallen. Auch wenn er einige Tage in einem Eingeborenendorf gepflegt und dann mit Lebensmitteln und Wasser versehen wurde.
    » Tja, so sammeln wir unsere Ehrenzeichen, lieber Dr. Johanssen. Ich habe mir meines in Südafrika im Burenkrieg eingehandelt, und es wird mir bleiben, solange ich lebe. «
    Er rieb sich die Stirn, auf der eine tiefe rote Narbe prangte. Der Vater von Elisabeths Schulfreundin war früher Offizier bei den britischen Truppen gewesen und hatte im Burenkrieg gekämpft. Jetzt, da sein Haupthaar schütter geworden war, sah man die Erinnerung daran umso deutlicher.
    George grinste und hob das Glas, um Mr Summerhill zuzuprosten. Er trug immer noch einen Seidenschal um den Hals, auf die dunklen Brillengläser verzichtete er jedoch mittlerweile.
    » Trinken wir auf uns Veteranen « , scherzte er, dann schob er die lange Tischdecke ein wenig zur Seite, blickte unter die Tafel und lächelte verschmitzt.
    » Und auf dich, Bursche. Wie auch immer du dieses Kunststück fertiggebracht hast– es war großartig.

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