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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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tun. Es ist allein meine Schuld, Charlotte. Ich wusste schon immer, dass ich nicht zur Ehe tauge, schon gar nicht zu einer Ehe, die dich glücklich machen könnte. «
    » Weshalb hast du mich dann geheiratet? «
    » Weil ich dich liebe. Und nun lass mich bitte gehen. Ich reise nach Mombasa und möchte den Dampfer nicht verpassen. Im Wohnraum steht ein Paket für Elisabeth– sie kann mir jederzeit schreiben, du weißt, dass ich deine Tochter sehr gernhabe… «
    Ein lauter Donnerschlag ertönte, als zerberste der Himmel über ihnen in tausend kleine Stücke. Ein Blitz zuckte auf, dann ein zweiter, der das Arbeitszimmer für einige Sekunden in taghelles Licht tauchte.
    Seine Hand zuckte zu seinem Halstuch, das er sich mit einer blitzschnellen Bewegung vors Gesicht hielt. Doch es war zu spät. Sie hatte bereits die Narben gesehen: an seinen Händen, an seiner Stirn, an seinem Hals. Die Pocken hatten überdeutliche Spuren hinterlassen.
    » Was ist mit deinen Augen? «
    Sie fasste seinen Jackenärmel, doch er riss sich von ihr los und stürmte davon. Im Flur stieß er auf Mimi, die wegen des Gewitters rasch zu Elisabeth hinauflaufen wollte, und Charlotte hörte ihre schwarze Angestellte entsetzt aufschreien. Dann schlug die Haustür zu, und fast im gleichen Moment explodierte der Donner am Himmel so heftig, dass Charlotte glaubte, ihre Trommelfelle würden zerreißen.
    Die Pocken hatten ihn entstellt. Möglicherweise hatte er sogar noch weitere Folgen der Seuche davongetragen. Plötzlich begriff sie sein seltsames Verhalten. O Gott– wie dumm sie doch gewesen war!
    » George! «
    Sie stürzte hinter ihm her, wobei sie fast die schreckensstarre Mimi zu Boden riss. Als sie die Haustür öffnete, sah sie gerade noch, wie er durch das Tor in der Mauer schlüpfte. Er lief vor ihr davon, dieser Feigling, floh wie ein Hase, weil er Angst vor ihrem Mitleid hatte.
    Der Dampfer, dachte sie atemlos. Gestern Abend ist er in den Hafen eingefahren, da wird er doch gewiss nicht vor zehn Uhr ablegen? Es war kein Reichspostdampfer, der einem genauen Fahrplan folgte, sondern ein britisches Schiff, daher war vollkommen unklar, wie viel Zeit ihr noch blieb.
    Sie zog Rock und Jacke über ihr Nachthemd, schlüpfte in ein Paar Schuhe und band ein Seidentuch um das offene Haar. Inzwischen war Jim herbeigekommen, er half Mimi vom Boden auf, und sie hörte, wie die beiden im Flur miteinander tuschelten.
    Charlotte wies Mimi an, zu Elisabeth hinaufzugehen, falls sich das Mädchen vor dem Gewitter fürchtete.
    » Bibi Johanssen muss Schirm mitnehmen. Viel Regen « , sagte ihr treuer schwarzer Diener, doch sie lehnte ab.
    » Danke, Jim. Ich brauche keinen Schirm! «
    Die ersten dicken Tropfen hatten schon dunkle Flecke auf dem Gartenweg gemalt; jetzt, da sie durch das Tor hinaus auf die Straße lief, öffnete der schwarze Wolkenhimmel über ihr seine Schleusen. Sie sah, wie sich die Palmen unter den herabstürzenden Wassermassen bogen, rötliche Fluten schossen die trockenen Wege hinab, rissen alles mit, was nicht befestigt war: leere Blechdosen, Flaschen, einen davongewehten Strohhut. Sie war im Nu bis auf die Haut durchnässt, doch sie achtete nicht darauf. Würde er durch die Stadt zum Landungssteg laufen? Oder zöge er es vor, am Strand entlangzugehen, um so wenig wie möglich gesehen zu werden?
    Sie stieg durch die brodelnden Sturzbäche, die sich zum Strand hin ergossen, ohne Rücksicht darauf, dass sie ihr Kleid mit rötlichen Flecken sprenkelten. Zwei kleine Straßen, dann einen schmalen Weg zwischen zwei eingezäunten Grundstücken hindurch– nun stand sie oberhalb der Abbruchkante, von wo aus sie Strand und Bucht überblicken konnte. Schwarze Gewitterwolken hatten sich zu unheilverkündenden Klumpen geballt und schoben sich wie kämpfende Drachenwesen aufeinander zu. Das Wasser in der Bucht war grau und aufgewühlt vom Regen, auf den unruhigen Wellen trieben noch einige wenige Schiffe, die wie Kinderspielzeuge wirkten, sogar der britische Dampfer am Landungssteg erschien klein und hilflos angesichts dieses Infernos.
    Der Wind trieb ihr den Regen entgegen, so dass sie die Augen mit der Hand beschirmen musste. Ein Blitz zuckte auf, fand gleißenden Widerschein in den Wellen, gleich darauf krachte der Donner, und die Landschaft versank erneut in undurchdringlichen Regenfluten. Aber die wenigen Sekunden hatten ausgereicht, um den Strand zu beleuchten. Sie hatte sich nicht getäuscht– George lief unten am Meer entlang in Richtung

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