Sankya
Schlüssel zu ihrem kleinen Schuppen gegeben – lange und hektisch hatte sie ihn aus einem Bund mit anderen Schlüsseln gelöst, und sich dabei den Nagel eingerissen …
Im Weggehen hatte sie, ohne sich umzudrehen, voller Zorn gesagt: »Idioten, sie werden euch alle umbringen!«
Offenbar hatte nur Sascha diese Worte gehört.
»Ich bin davon überzeugt, Oleg. Fahren wir, übrigens, holen wir die Fahnen …«
Sie kamen zu ihrem Haus. Gingen in den Schuppen – irgendwoher schoss ein dummer Hofhund hervor, bellte, als wollte er gleich seine böse Zunge herausgeifern. Ohne darauf zu achten, ging Oleg vorbei. Sascha wollte den Hund mit dem Fuß ins Maul treten, der aber sprang zur Seite und kläffte noch mehr.
»Nimm die Tomaten, oder was das da ist«, schlug Oleg vor, der sich in den Keller runterbeugte, in dem Sascha in einem Haufen von Spruchbändern, Armbinden und Portraits von Kostenko nach Fahnen suchte.
»Halt mal.« Er gab ihm ein Glas.
Dann zwei Fahnenstangen, zerlegbar und aus Kunststoff, sowie grelle Stoffbahnen für die Fahne der Partei.
»Mach auf«, bat Oleg, als sie sich ins Auto gesetzt hatten.
»Wir werden jetzt alles versauen.«
»Ich möchte was davon. Ist doch fast wie Alkohol. Man wird davon besoffen.«
Sie fuhren durch die nächtliche Stadt. Sascha hob mit dem Messer den Metalldeckel vom Glas. Die Tomaten holte er mit den Fingern heraus, scharfer Saft rann hinunter, er trank, vornübergebeugt, damit es nicht auf seine Hose tropfte. Die kleineren Tomaten steckte er Oleg in den gierig geöffneten Rachen. Er kaute, zwinkerte, und schlang es gierig hinunter.
Die Scheinwerfer zerschnitten die Nacht wie ein wahnsinnig gewordenes Skalpell. Oleg alberte herum und fuhr mit dem Fernlicht. Wenn andere als Antwort Lichthupe gaben, wurde er dreist und fuhr beinahe auf die Gegenfahrbahn – damit nötigte er den spontanen nächtlichen Gegner zu einem Bremsmanöver.
In Olegs Wohnung warteten Wenka und neun Jungs von den lokalen »Sojusniki« – als sie letzte Nacht die Stadt abgefahren waren, hatten sie alle Älteren ausgesucht, jene, die durchgeknallt, mehrfach erprobt und lustig waren. Schaman, der Braune, der Fernfahrer, der Falsche …
Sie hatten beschlossen, nicht mehr Leute zu versammeln, um nicht aufzufallen. Die Bullen hatten in den letzten Tagen viele aufgesucht, hatten rumgepöbelt, aber niemandem etwas getan – auch Sascha hatten sie gesucht und hoch und heilig versprochen, ihn unter die Erde zu bringen.
»Hat Matwej keine Nachricht geschickt?«, fragte Wenja, nachdem er die Tür geöffnet hatte.
»Nein. Alles unverändert«, sagte Sascha leise, stampfte mit den Füßen auf, um den schmutzigen Schnee abzuschütteln.
»Wann?«
»Wenn es sein muss.«
Sie setzten sich gemeinsam in einen Kreis, auf den Boden, öffneten eine Flasche guten Wodka. Allen wurde eingeschenkt – Sascha und Oleg füllten sich nur ein paar Tropfen ins Glas.
Wenja, der vier Tage nicht getrunken hatte, schenkte sich unauffällig Wasser ein, seine Augen sahen dabei wie angefrorene Pelmeni aus. Er hatte sogar abgenommen – vom ungewohnten Trockensein.
»Brüder«, sagte Sascha ganz einfach und mit einem leichten Grinsen. »Die Partei sagt uns: Alle stehen in der Schuld der Russen, die Russen schulden niemandem etwas. Außerdem sagt uns die Partei: Alle stehen in der Schuld der Russen, die Russen schulden nur sich selbst etwas. Wir wollen nur das zurückholen, was wir uns selbst schulden – die Heimat. Vorwärts.«
Sie lachten bissig. Sie tranken ein wenig. Käse, Grünzeug und ein angebrochenes Glas Tomaten – sie griffen hinein.
»Er ist Blumen gießen gegangen.«
Sascha nickte und sagte nichts.
»Er hat versprochen, am Morgen zurückzukommen …« Wenja blickte Sascha in die Augen.
»Ich habe die ganze Zeit vergessen, dir zu sagen: Negativ lässt ausrichten … Also, er bat uns darum, Posik in nichts hineinzuziehen.«
»Wann kommt er, hast du gesagt?«
»Na, am Morgen. Er wird wohl mit einem der ersten Trolleybusse anrollen.«
»Dann wird er nicht rechtzeitig da sein. Und das ist auch gut so.«
»Das heißt, morgen?«, verstand Wenja, in dessen Gesicht ein Lächeln wie Butter auf einem Pfannkuchen zerfloss.
»Heute, Wenja. Geh schlafen.«
Sascha rauchte die Zigarette, während er zum Fenster hinausschaute. Die Kippe schnippte er durch die Oberlichte. Sie glühte noch einmal auf, bevor sie funkensprühend im Schnee verschwand.
Um zwei Uhr dreißig nachts weckte Sascha die Jungs. Sie
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