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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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kratzig und warm.
    Eine heiße Pfanne mit Bratkartoffeln wurde aufgetragen. Oleg packte die aus der Stadt mitgebrachte Tüte aus, öffnete Dosen mit schönen Etiketten, schnitt freigiebig Käse und Wurst, bot dem Hausherrn Wodka an, der nur kurz antwortete: »Ich sage nicht nein.«
    Für die Hausherrin öffnete er ungefragt eine Flasche Wein.
    »Der Herr sei mit euch, Jungs, ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, was das ist. So eine schöne Flasche.«
    »Und der Großvater?«, fragte Sascha. »Laden wir den Großvater ein?«
    »Wie denn ohne Opa«, antwortete der Hausherr. Er ging ihn holen.
    Der Opa saß still am Tisch, aß wenig, schaute niemanden an.
    Nach dem dritten Gläschen wurden alle, wie immer, lebhaft; die Hausherrin hatte ihren roten Süßwein natürlich nicht ausgetrunken: »Ich bin auch so fröhlich«, meinte sie freundlich und befeuchtete die Lippen nur, dabei blinzelte sie zufrieden. Es war offensichtlich, dass es ihr einfach leid tat, nur für sich ein solch seltenes Getränk zu verschwenden. Besser jemanden bewirten.
    Sie redeten alles Mögliche durcheinander. Sascha sagte, sie würden zu seiner Großmutter fahren – sofort wurden gemeinsame Bekannte gesucht, es ging ja ums Nachbarsdorf; und tatsächlich wurden sogar entfernte Verwandte gefunden.
    Allein der Großvater zog sich bald zurück, er hatte nichts mehr gesagt, ja, und Posik, stellte Sascha fest, war auch wieder traurig.
    »Was ist los, Posik?«, fragte Sascha leise, zu ihm gebeugt.
    »Ich habe vergessen, die Pflanzen zu gießen«, sagte er.
    Sie schliefen in einem Zimmer auf dem Fußboden, zugedeckt mit Tüchern und alten Decken – friedfertig, satt vom Abendessen, in guter Stimmung.
    Am Morgen erfroren sie fast auf dem eisigen Klo im Hinterhof, huschten flink zurück ins Haus, mit klaren Augen.
    Sie kochten und tranken abwechselnd Tee – die Hausfrau war schon früh weggegangen, der Hausherr hämmerte in der Scheune an irgendetwas herum, die Hühner gackerten unzufrieden. Der Großvater stand nicht auf, wenn er sich umdrehte, stöhnte er manchmal, das war zu hören.
    Sascha schaltete den Fernseher an. Es liefen gerade die Nachrichten.
    »Das ist doch das Programm von … wie heißt er noch … Kostenkos Freund«, wurde Wenja sofort munterer.
    Das Programm moderierte allerdings eine unbekannte junge Frau mit strengem Gesicht.
    Die Themen waren die bekannten und meist dilettantisch präsentiert: Hier eine Sitzung, dort eine neue Ernennung, da ist wie üblich ein Rohr geplatzt und irgendwas hat sich entzündet, weshalb jetzt drei Bezirke ohne Wasser oder ohne Licht auskommen müssen, oder ganz ohne beides, Säuglinge wurden aus der ungeheizten Kinderklinik evakuiert. Schon lange wunderte sich niemand mehr. Besonders niederträchtige Naturen sagten dazu nur träge: »Auch früher hat es sowas gegeben, nur wurde es halt verschwiegen.« Irgendetwas musste ja gesagt werden.
    All das wirbelte durch Saschas Kopf, während er auf den Bildschirm schaute und Tee trank; und mit Tee im Mund erstarrte er auch, als er auf dem Bildschirm das tote Gesicht von Ljoscha Rogow sah.
    Dann sickerte auch in sein Bewusstsein, was die Sprecherin einige Sekunden vorher gesagt hatte.
    »Das Mitglied des politischen Rates des ›Sojus sosidajuschtschich‹, Aleksej Rogow, wurde tot unter dem Balkon seines Hauses gefunden. Die Nachbarn behaupten, in dem Moment, als Aleksej aus dem Fenster sprang oder gestoßen wurde, hätten sich in seiner Wohnung unbekannte Personen befunden. Einer von Rogows Gangnachbarn bestätigte, die Männer, die eine Stunde vor dem tragischen Ereignis zu ihm gekommen waren, hätten sich als Mitarbeiter des Föderalen Sicherheitsdienstes vorgestellt.« Bemerkenswert sei auch, fuhr die Sprecherin fort, »dass jene drei Personen in Zivil, die aus Rogows Wohnung gekommen waren, dessen Leichnam auf dem Asphalt in Augenschein nahmen und anschließend mit einem Auto, das im Hof gestanden hatte, wegfuhren. Nachbarn schrieben die Autonummer auf. Wir haben sie überprüft und herausgefunden, dass ein Fahrzeug mit dieser Nummer der städtischen Verwaltung des Föderalen Sicherheitsdienstes gehört. Der Pressedienst des FSD verweigerte jeglichen Kommentar dazu.«
    Sie saßen alle regungslos da und schauten auf den Bildschirm. Ächzend ging der Opa auf die Straße hinaus, aber niemand drehte sich um.
    »Ebenfalls heute wurde in Moskau im Eingang seines Hauses Konstantin Solowyj, Mitglied des politischen Rates des ›Sojus sosidajuschtschich‹,

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