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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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würde keine Werotschka im Auto sitzen.

Kapitel 13
    Obwohl Sascha die ganze Nacht über nicht geschlafen hatte, fühlte er sich frisch, als hätte man ihm die Brust mit Schnee eingerieben. Er lächelte häufig – das kommt vor, wenn man den nächsten und liebsten Menschen eine wunderbare Überraschung bereiten will. Gleich explodiert der Knallfrosch, alle werden mit Konfetti berieselt und ein langohriger Spielzeughase läuft umher, der wild mit seinen elektrischen Augen rollt.
    Gemeinsam mit Oleg zogen sie Kreise durch die Stadt, rechneten alles auf die Minute genau aus. Oleg bleckte selbstzufrieden die Zähne, wiederholte mehrfach, bisweilen auch völlig unpassend: »Der Böse ist böse, ich aber bin böser als drei Böse.«
    Dann diskutierten sie alles noch einmal und fuhren wieder durch die Stadt. Sie hatten vor niemandem Angst. Wann immer sie auf ein Milizauto trafen, fuhren sie wie Verschwörer daran vorbei, keiner hielt sie an. Der Idiot mit dem gestreiften Stab wurde entweder gerade per Funk weggerufen, oder ein Auto weiter vorne hatte gerade gegen irgendetwas verstoßen und musste mit drohenden Pfiffen abgebremst werden.
    »Sie haben uns alle Hinweise weggeräumt«, sagte Oleg, nachdem sie wieder einmal Glück gehabt hatten.
    Sascha verstand, was er meinte: Oleg erinnerte sich daran, was der Großvater im Dorf gesagt hatte. Dabei hatte es ausgesehen, als würde er nur Marmelade essen.
    »Glaubst du an Gott?«, fragte Sascha.
    Oleg druckste rum.
    »Wir hatten einen Scharfschützen. Manchmal nahm er vor dem Schuss das Kreuz an seiner Halskette in den Mund. Er sagte, das helfe.«
    »Die Rus phantasiert von Gott, der roten Flamme, in der man Engel im Rauch sieht …«, erinnerte sich Sascha plötzlich; er sprach diese Worte einfach und leise aus, ganz ohne Gefühl. Er dachte dabei aus irgendeinem Grund an siebzehn Alte in weißen Hemden in einer dunklen, trostlosen Hütte … und der Großvater unter ihnen. »… Kannst du die Engel sehen?«
    Oleg schüttelte den Kopf und es war nicht klar, was es bedeuten sollte: Nein, sie sind nicht zu sehen … Nein, dazu sage ich nichts … oder: Du fragst nicht das Richtige, ganz und gar nicht …
    Sascha schlief an diesem letzten Abend für etwa vierzig Minuten ein, er hatte einen rasanten Traum.
    Als wäre er schließlich doch bis zur Großmutter gefahren, ins Dorf. Er ließ Gänse und Hühner schnell aus der Scheune und rief sie zu sich, in das Auto.
    Wie immer war auch an diesem Traum etwas Unklares – er war mit einem Auto losgefahren, in den Hof kam er aber mit einem Lastwagen … oder irgendeine Art Kastenwagen. Und dann beeilte sich Sascha; solange die Großmutter nicht herauskam, wollte er etwas erledigen.
    Er machte den Kasten auf und warf die Leiber hinein, und
sie machten beim Aufprall saftig patzende Geräusche, als wären sie durch und durch feucht …. Die Gänse wurden hastig dorthin geworfen, wo etwas hinuntergefallen war, sie zogen mit den Schnäbeln an etwas Langem, breiteten ihre weißen Flügel weit aus, schnatternd. Die Hühner fürchteten die Gänseflügel, sie liefen ängstlich davon, und dann beeilten sie sich, den Kopf geduckt, einmal hierhin, einmal dorthin zu picken.
    Sascha drehte sich um, die Großmutter schaute von der Schwelle zu ihm herüber. Der Vater saß auf der Bank und rauchte.
    Er erwachte und erinnerte sich, wie er die Gänse und Hühner lockte: »Put-put-put … Recht-dem-Recht … Put-put … Recht-dem-Recht …«
    »Bist du etwa eingenickt?«, fragte Oleg. Sie standen in der Garage.
    Zum ersten Mal spürte Sascha etwas Sanftes und Menschliches in seiner Stimme.
    … Es kam ihm wohl nur so vor.
    »Wird es gelingen, Oleg?«, fragte er heiser und hustete. Er gähnte, öffnete den Mund so weit, dass er es im Kreuz spürte. Er streckte sich nach den Zigaretten. Sie rauchten furchtbar viel, vier Packungen pro Mann und Tag.
    Oleg antwortete natürlich nicht. Auf solche Fragen antwortete er nicht.
    »Bist du sicher, dass uns Werotschka nicht verrät?«, antwortete Oleg mit einer Gegenfrage auf die Frage; innerhalb der letzten Tage hatte er das sicher schon dreimal gefragt.
    Sie hatten sie damals am Bahnhof abgesetzt.
    »Ich werde niemandem etwas sagen«, hatte Werotschka beteuert, als sie sich zum Auto gebeugt und Sascha mit glühenden und trockenen Augen angeblickt hatte. »Hört ihr? Niemandem! Ich verspreche es euch. Und verzeiht mir. Ich fahre heute noch in eine andere Stadt, zur Großmutter. Das ist alles.«
    Sie hatte Sascha den

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