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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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schnell aneinander gewöhnt und konnten sich gegenseitig durch nichts mehr erstaunen. Weder durch Frisuren, noch durch Jacken oder provinzielle Sprechweise.
    Sascha kannte viele, hatte fast alle früher schon gesehen, und ihn juckte auch schon lange nichts mehr: Er hatte schnell verstanden, dass fast alle »Sojusniki« nette Jungs waren. In erster Linie deshalb, weil sie sich ganz einfach Schlägen, vielen Schlägen aussetzten, und letztendlich – sich selbst opferten, ihre gebrochenen Rippen, zertrümmerten Nieren, ihre eingeschlagenen Köpfe.
    Sie machten es zu ihrem Anliegen, für alle anderen Rede und Antwort zu stehen – in einer Zeit, in der es als unsinnig galt, für irgendjemand außer für sich selbst verantwortlich zu sein.
    »Das sind die besten Menschen der Erde«, hatte Sascha für sich selbst schon vor Langem entschieden und das Thema abgeschlossen. Er hatte zwar versucht, dies auch seiner Mutter zu erklären, allerdings glaubte sie es nicht.
    Als er in den Bunker hineinging, schüttelte er einigen Bekannten die Hand, irgendwen umarmte er. Negativ blickte die Bewohner des Bunkers düster an – sie reizten ihn ein bisschen. Er hätte es besser gefunden, wenn alle »Sojusniki« schweigend herumgegangen wären, oder zumindest – ohne herumzuschreien und zu gackern – in normaler Kleidung, ohne diese Nietenjacken oder schwarzen Anzüge; wenn sie in den Räumen wenigstens nicht rauchen würden, den Boden aufkehrten, die Bänke reparierten … Er hätte selbst am liebsten sofort zu reparieren begonnen …
    Kostja Solowyj tauchte auf – das war der, der im Zentrum von Moskau damals die Kette geschwungen hatte, mit gierigem Blick, grellem Mund und in Begleitung einer schönen »Sojusnitsa«, deren Hintern er ungeniert tätschelte.
    »Ein Mitglied der Partei ist verpflichtet, möglichst viele Frauen zu haben«, erklärte er ihr mit weicher und frecher Stimme. »Ein Mitglied der Partei ist verpflichtet, sich zu allererst den besten Frauen anzubieten. Ein Mitglied der Partei ist verpflichtet, alle Frauen zu umwerben, denn schon morgen kann man an der Front getötet werden. Wenn sich die Treffen eines Mitgliedes der Partei mit einer Frau zwei oder mehrere Male wiederholen, muss er sie verprügeln. Idealerweise – einmal verprügeln pro zehn Mal Geschlechtsverkehr. Ein Mitglied der Partei hat das Recht, eine Frau zu töten, die ihn nicht versteht oder ständig irgendetwas von ihm will.«
    Das Mädchen lachte. Solwoyj zwinkerte Sascha zu, ging an ihm vorbei, doch im letzten Moment stieß er das Mädchen leicht zu Sascha hin, und erklärte lautstark: »Ein Mitglied der Partei
ist verpflichtet, von einer Frau unzüchtige Handlungen in Bezug auf ihre Parteigenossen zu verlangen.«
    »Du bist vielleicht ein Idiot!« Das Mädchen schmollte, löste sich von Sascha, der ihren weichen, anschmiegsamen und zarten Körper kurz hatte spüren können.
    Aus der Toilette, die sich direkt gegenüber der Eingangstür befand, kam ein großgewachsener Junge mit lustigen Augen. Er wischte die feuchten, offenbar soeben gewaschenen Hände an der Hose ab.
    » In der Latrine kaltmachen. In der Latrine kaltmachen. Meine Pisse ist ins Häuschen gepisst: Eine feuchte Sache«, sprach er mit ein wenig somnambuler Stimme, die verblüffend der Stimme des Präsidenten des Landes glich.
    »Ist Matwej hier?«, fragte Sascha den Diensthabenden des Bunkers.
    Er sei hier, wurde geantwortet.
    Matwej kam aus dem Raum, den die »Sojusniki« als »sakrales« Zimmer bezeichneten, in dem früher der unermüdliche Kostenko gearbeitet hatte. Jetzt schuftete dort Matwej morgens bis abends für die Partei.
    Er war nicht groß, trocken, mit einem kleinen Bart, klaren Augen und einem guten Lächeln.
    Die »Sojusniki« liebten ihn, viele imitierten ihn – Matwejs Ausdrücke, seine ruhigen Gesten, seine ruhige Intonation blieb hängen. Sascha hatte an dem einen oder anderen »Sojusnik« die Gewohnheit bemerkt, mit dem Matwej eigenen unerklärbaren Charme zu sprechen, um zum Beispiel seine Zustimmung auszudrücken: »Ja, doch – ja, doch«; dasselbe galt auch für das Tragen eines kurzen schwarzen oder grauen Mantels, der fast immer aufgeknöpft blieb.
    Wenn er die Jungs sah, nickte Matwej – sehr ernst, als wollte er sagen: »Ja, doch – ja, doch, ich weiß, warum ihr da seid. Es ist gut, dass ihr da seid.«
    »Sascha, hallo«, sagte Matwej und schüttelte Sascha mit festem und trockenem Händedruck die Hand. Negativ begrüßte er, als Sascha

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