Sankya
diesen vorstellte.
»Gehen wir dann – auf die Straße«, schlug Matwej vor.
Matwej gab dem Diensthabenden sein Handy, fragte, ob Sascha und Negativ keine eigenen hätten – sie hatten keine. Die Geheimdienstler verwendeten gern »angezapfte« Telefone zum Abhören – das wussten alle.
»Es interessiert ja alle sehr, worüber wir … sprechen«, sagte Matwej, und überprüfte etwas in der Hosentasche. »Gehen wir auf die Straße, ja? Sprechen wir dort. Gleich, wir nehmen nur Janka mit.«
Auch Jana hatte sich im »sakralen« aufgehalten, sie kam heraus, trat sachte auf, ohne zu lächeln, schaute Negativ nicht einmal an, nickte zu Sascha; er antwortete ihr, indem er einfach die Augen schloss und sie einen Moment länger geschlossen hielt als bei einem Blinzeln. Er versuchte an nichts zu denken und dachte an nichts.
Sie gingen lange durch Höfe – zu einem bestimmten Plätzchen, das Matwej kannte, wahrscheinlich hatte er es selbst kürzlich ausfindig gemacht, auf dem Weg zum Bunker durch die Höfe der Hauptstadt. Sie kamen zu einer überdachten Bank – setzten sich alle vier. Zwei jeweils zweien gegenüber, begannen zu rauchen – alle, außer Negativ.
»Soll ich dich tatsächlich so nennen – Negativ?«, fragte Matwej.
Negativ nickte.
Matwej rauchte und sagte, sie würden Negativ einsperren.
»Bist du bereit?«, fragte er.
»Ich bin bereit«, antwortete Negativ einfach.
»Du musst nach Lettland fahren. Die Notbremse im Zug ›Petersburg–Kaliningrad‹ muss gezogen werden. Er fährt über Lettland. Die Notbremse auslösen und auf dem Territorium dieses Landes aus dem Zug springen. Irgendwo bei Daugapils. Und sich eigenständig bis nach Riga durchschlagen. Geld für den Transport bekommst du. Dort verkehren am Morgen Vorortzüge. In Riga wirst du abgeholt. Hier, unter dieser Adresse.« Matwej gab Negativ ein Blatt und sagte, dieses Blatt müsse in zehn Minuten weggeworfen werden. »Hast du ein gutes Gedächtnis?«
»Ich merke es mir«, antwortete Negativ, schaut sich mithilfe von Saschas Feuerzeug, das er vom Tisch genommen hatte, die Adresse an.
In Riga müsse alles äußerst schnell gehen. Die Aufgabe: Die Aussichtsplattform des Turms auf dem Hauptplatz der Stadt besetzen. Sich dort verbarrikadieren. Bald sei der 9. Mai, und ihre beschissene Geheimpolizei hätte mehr als hundert Anklagen gegen russische Veteranen des Zweiten Weltkriegs eröffnet, die in diesem stolzen baltischen Land leben. »Sie wollen ein Festtagsgeschenk machen«, sagte Matwej. Einige wurden schon als »frühere Okkupanten« eingesperrt. Zwei alte Männer seien im Gefängnis gestorben. Dort, direkt im Zentrum von Riga, müsse ordentlicher Wirbel gemacht werden, bis die Journalisten kommen, wünschenswerterweise europäische, und ein Ende dieser Willkür fordern. Niemand außer den »Sojusniki« würde etwas unternehmen.
»Alles wird vor Ort entschieden – Zeitpunkt, Mittel, und so weiter«, sagte Matwej. Er nickte Negativ zu, als würde er fragen: »Nun, alles klar, mein Lieber?« Und Negativ nickte ruhig zur Antwort. »Alles klar.«
»Matwej, kann man mich bei dieser Sache gar nicht brauchen? Ich hätte gerne …«, sagte Sascha, der plötzlich verstand, dass er früher hätte fragen sollen; noch vor ihrem Aufbruch hierher, aber das wäre ihm dumm vorgekommen: Warum sich aufregen, bevor es ernst wurde?
Als Sascha fertig gesprochen hatte, dreht sich Negativ zu ihm um und blickte ihn streng an. Sascha reagierte nicht, er schaute zu Matwej.
»In dieser Sache wirst du ganz und gar nicht gebraucht«, antwortete Matwej emotionslos. »Du wirst in einer anderen Sache benötigt. Trinken wir etwas, vielleicht Tee?«, fragte er, ohne eine Pause zu machen, viel freundlicher.
Sie gingen, unerwartet gut gelaunt, bis zum Café – auf dem Weg begann Matwej irgendetwas zu erzählen, von irgendeinem neuen Unfug der »Sojusniki«, es war ziemlich amüsant, Jana lachte mehrmals laut auf, und selbst Negativ lächelte.
Darüber, wie die »Sojusniki« regierungsfeindliche Flugblätter auf Säulen geklebt hatten, indem sie sich gegenseitig auf die Schultern stiegen – es war so hoch gewesen, das man sie nur schwer herunterreißen konnte. Und am nächsten Morgen liefen die verschreckten Bullen um die Säulen herum, ratlos, was tun. Nun, in Uniform würden sie sich gegenseitig wohl nicht auf die Schultern steigen. Bis sie eine Leiter fanden … Mit dieser Leiter gingen sie die ganze Straße entlang … Erst nach einer Stunde wurden
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