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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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bösen kleinen Äuglein waren aufgerissen, sie schienen absolut verrückt zu sein. Und das Quietschen ertönte unablässig.
    Oleg senkte unvermittelt die Pistole und schoss ins Zentrum des Knäuels – eine der Ratten, so kam es Sascha vor, zerfiel fast in zwei Teile, es traten dreckige, chaotisch durcheinandergewirbelte Innereien hervor.
    Sascha kam nicht dazu, Oleg zu beschimpfen, weil dieser noch einmal schoss und offenbar genau in das verwachsene Schwanzknäuel traf. Einige Ratten, die sich plötzlich voneinander gelöst hatten, begannen wegzulaufen – sie zogen die Hinterpfoten und Schwänze hinter sich her, einige hatten kurze, andere wieder überdimensional lange.
    Oleg, der irgendwann die Pistole in die Tasche gesteckt hatte, trat einer Ratte auf den Kopf und schlug ihr, nachdem er mit der Schaufel ordentlich ausgeholt hatte, auf das Genick – er hatte das Tier zweigeteilt. Auch die nächste traf er mehrere Male mit der Flachseite der Schaufel.
    Er mähte und drosch die Ratten regelrecht nieder, mit dem Absatz seiner schweren Stiefel schlug er gegen ihre Köpfe, besinnungslos wütete er dann weiter mit der Schaufel, zerteilte ächzend die widerlichen Biester, stieß wüste Flüche dabei aus.
    Einige Ratten huschten davon und zogen ein Knäuel von dünnen Gedärmen hinter sich her. Und nur einigen wenigen Tieren, die miteinander verklebt schienen, gelang es nicht, wegzukriechen – sie drehten sich an Ort und Stelle im Kreis.
    Im matten Licht blitzte Olegs Gesicht auf, das durch wilde Konvulsionen, sei es vom Lachen, sei es durch Hass, entstellt war. Die Schaufel flog davon, schlug – wie ein Raubvogel – hart zu Boden und gab dabei ein schepperndes Geräusch von sich.
    »War das alles, oder nicht?«, fragte Oleg drei Minuten später.
    Überall war Blut, einige Ratten zitterten heftig mit ihren Gliedmaßen und ihre Augen leuchteten selbst im Tode böse.
    »Gehen wir weg von hier«, sagte Sascha.
    Er kehrte mit Werotschka nach Hause zurück, erzählte ihr aber nichts.
    Im Laden neben der Wohnung kaufte er eine Flasche Wodka.
    »Was ist mit dir los?«, fragte Werotschka.
    »Ist alles in Ordnung. Sei still.«
    Und sie schwieg untertänig.
    Die Mutter ging zur Nachtschicht.
    Die Wohnung war noch vom Geruch des Putzmittels, von Sauberkeit und feuchtem Boden erfüllt.
    »Trinkst du mit mir?«, fragte Sascha. »Nur – wir schweigen. Wenn du willst, schalte ich Musik ein.«
    »Ja, mach das«, stimmte Werotschka ein wenig verschreckt zu.
    Sascha schenkte zuerst sich selbst ein und trank sofort, gie-
rig, ohne etwas dazu zu essen. Dann schenkte er ein bisschen
in beide Gläser. Er schnitt einen Apfel auf. Dann zerschnitt er
eine Zitrone. Er schaute diese aufmerksam an, erinnerte sich dabei.
    »Darf ich, ich nehme eine Zitrone dazu?«, fragte Werotschka.
    Sascha hob seinen Blick, sah sie schwermütig und entrückt an. Er nickte zustimmend.
    Werotschka trank, verzog das Gesicht, aß die Zitrone dazu und verzog ihr Gesicht noch mehr. Sie rieb ihre kleine Nase, in ihren Augen standen Tränen. Sascha lächelte mitleidig.
    »Dummköpfchen«, sagte er, »komm her.«
    Er küsste sie auf den kleinen Mund, sie stieß unbeholfen mit der Zunge herum und begann leise zu stöhnen, vielleicht ein wenig zu sehr gespielt, jedenfalls aber mit dem aufrichtigen Wunsch, zu gefallen und das zu demonstrieren, was für eine Frau unbedingt notwendig wäre, Werotschka allerdings noch nicht besaß.
    Sascha befahl ihr ins Zimmer zu gehen. Sie trippelte dorthin, ihren Hintern verdeckte sie aus irgendeinem Grund mit den Jeans, die sie in den nach hinten gedrehten Händen hielt; die Handflächen waren dabei ungeschützt, die Linien darauf deutlich sichtbar.
    Er zog sie in der Dunkelheit ruhig aus, streichelte sie lange, mit geschlossenen Augen, dabei dachte er natürlich nicht an sie. Dann drehte er sie um, sie war gefügig, manchmal stieß sie artige Schreie aus.
    Er erinnerte sich an Janas Gesicht – mit dem sonderbaren, angespannten, aufmerksamen Ausdruck einer Frau, die sich ganz auf ihre Gefühle konzentriert – einer noch jungen Frau, die den Geschmack auf Neues noch nicht verloren hatte – einer Frau, die auf den Geschmack kam –, er erinnerte sich, und sehr rasch, die Zähne zusammenpressend, ohne einen Laut von sich zu geben, verspürte er fast einen Schmerz, und keine Freude – die dunkle, kurze Konvulsion eines Schmerzes.
    Am nächsten Tag fuhr er weg. Aus einem Karton bastelte er sich in der Tasche einen zweiten

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